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Sorry – ich kann diesen einfühlsamen Artikel von Nuë Ammann aus dem LT mit meinen bescheidenen Möglichkeiten nicht besser darstellen. Mit einem Rechtsklick lässt sich die Datei herunterladen, um 90° nach rechts drehen und angemessen vergrößern …

 

 

 

 

 



 


 


 

 


 

 

 


 

 

 

4. Mai 2017

Wie Karl Witti die Zukunft sieht

Der Eresinger Künstler zeigt einen Querschnitt seines Schaffens im Studio Rose

 

Von Nuë Ammann

 

 

Der Mensch mit seinen archaischen Ängsten und Sehnsüchten im Kontext von Naturzerstörung und Klimawandel ist das Lebensthema von Karl Witti, das sich auch aus seinem Bild „Der gute Hirte“ablesen lässt.

 

Foto: Nuë Ammann

 

Aufrecht sitzt ein Indianer auf einem Pferd und beobachtet mit aufmerksamer Gelassenheit die vor ihm liegende Ebene. So ruhig wie sein Reiter steht das Pferd, den Kopf leicht erhoben und den Duft aus der Ferne atmend. Beide betrachten eine unwirkliche Szenerie: Denn in der Tiefe des Bildes von Karl Witti, inmitten der Weite der Prärie, markiert ein hoher, moderner Uhrenturm eine Raum-Zeit-Verschiebung. Von Efeu und anderen Rankpflanzen überwuchert, scheint der mächtige Turm mit seinem gewaltigen Ziffernblatt selbst in den Himmel zu wachsen. Die Ansicht wirft Fragen auf, nach einem Wo, Wann, Warum. Doch führen diese Fragen allesamt in die Poesie des von Karl Witti entworfenen Moments zurück.
Wittis langjähriger Nachbar, Freund und Kunsthistoriker Christian Burchard erläutert in seiner Laudatio zur Vernissage die nahezu fotorealistischen Arbeiten: „In seinen zeichnerischen Werkreihen thematisiert Witti die utopische Einheit von Mensch und Natur, ein postindustrielles Arkadien mit einer politischen Dimension. Das Hintergrund¬motiv ist die Rückeroberung der technischen Zivilisation durch die sanfte und lautlose Kraft der Vegetation. In dem Kampf zwischen Zivilisation und Natur erweist sich die Natur als die stärkere Macht.“
Als Inspiration dienen Witti unter anderem seine langjährigen Studien über unterschiedlichste Ethnien, insbesondere Nomadenvölker und deren Naturreligionen. Seine feinen, häufig collagenartig angelegten Zeichnungen vereinen mythische und visionäre Elemente und bannen Vergangenheit und Zukunft in Einem. Witti forciert eine fremde Gegenwart, die den Betrachter, so Christian Burchard, „zum Historiker der Jetztzeit“ werden lässt.
Karl Witti, der die Akademie der Bildenden Künste in München besuchte und bis 1980 Zeichenlehrer an der Berufsfachschule für Holzbildhauer und Schnitzer in Oberammergau war, ist seit 1982 freischaffender Kunstmaler, Grafiker und Theatermaler. Neben Auftragsarbeiten für das ZDF, die Münchner Kammerspiele, das Residenztheater und das Münchner Volkstheater leitete Karl Witti 20 Jahre auch die Bühnenmalerei für die Passionsspiele in Oberammergau. 2011 eröffnete er seine Zeichenschule in Eresing. Als Gründungsmitglied des Kunstvereins Vis-à-Vis zur Förderung zeitgenössischer Kunst im ländlichen Raum gilt sein Engagement auch der Kunstvermittlung.
Sein Oeuvre lässt sich in derzeit neun große Werkreihen gliedern, darunter Baumgedichte, Erinnerungsbilder, Wiederkehr der Wälder, Zeittraum, Liegengelassenes und Winterelegie, aus denen auch die im Schondorfer Studio Rose präsentierten Arbeiten stammen.
Das jüngste Werk dort ist ein großformatiges Acrylgemälde mit dem Titel „Der gute Hirte“, das aus diesem Jahr stammt. Als „seelenverwandt mit dem Schriftsteller Italo Calvino“, so Christian Buchard, hat Karl Witti das 1957 herausgegebene Buch des Autors „Der Baron auf den Bäumen“ zur Grundlage seines Gemäldes gemacht. Während der offensichtliche Hirte entspannt an einer zerborstenen und mittlerweile von überwucherten Grenzbefestigung lehnend schläft, hält ein glatzköpfiges Kind in einem schmutzigen Büßerhemd gemeinsam mit einem riesigen Wolf Wache. Sie blicken in Richtung des von Blumen und Bäumen begrenzten Bildvordergrunds, hinter welchem man als Betrachter quasi beobachtend und vielleicht lauernd steht. Blickkontakt entsteht, und wieder tauchen Fragen auf, deren Antworten allein im Bild und seiner Symbolik zu finden sind. Denn Wittis Seh- und Lesebilder arbeiten mit einer vielschichtigen symbolischen Ikonografie, die Motive von Menschen aus der Geschichte und Mythologie, Tiere, Bäume, Blumen, Technik und Stadtkultur verbinden.

 

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1. Dezember 2016
Spielerische Auseinandersetzung mit modernen Architekturformen
Artichitekturen von Otto Scherer sind noch am kommenden Wochenende im Studio Rose zu sehen. Von Birgit Kremer

 

 

Man muss es schon ganz genau lesen: Artchitekturen, nicht Architekturen lautet der Titel der aktuellen Ausstellung mit Arbeiten von Otto Scherer im Studio Rose in Schondorf. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit gelingt es dem Künstler, mit seinen Skulpturen zu überraschen und damit die Erwartungen der Besucher zu überlisten. Schon die Wahl des Materials verblüfft. Otto Scherer, bekannt für seine stringenten, meist aus geometrischen Formen entwickelten Keramiken, hat diesmal Styrodor, Depron, Polysterol, Edelstahl und Acrylglas für seine Objekte verwendet. Mixed Media also, deren Einsatz sich für die spielerische Auseinandersetzung mit modernen Architekturformen bestens eignet.
Entstanden sind dabei erstaunliche Häuser, wie das Einfamilienhaus mit Meeres- und Alpenblick oder ein hochgelegtes Einfamilienhaus für Hochwassergeschädigte Daneben stehen zwei Doppelhaushälften, vier Vierfachhausviertel und acht Achtfachhausachtel. Zu den sechzehn Sechzehnfachhaussechzehntel sei es dann nicht mehr gekommen, erzählt der Künstler lachend, sie wären dann doch zu kleinteilig geworden.
Das „Schläferhaus“ (frei nach Thomas Schütte) liegt auf der Seite, als hätte es sich selbst gerade zum Schlafen niedergelegt, doch ist die Anspielung, die im Titel zum Ausdruck kommt, eine sehr aktuelle und politische, die den friedlichen ersten Eindruck ad absurdum führt. Da wirkt der Ostallgäuer Wolkenkratzer schon wieder heimatlicher und ist dabei gleichzeitig von ungeheurer Komik. Welch entzückende Idee, ein Hochhaus vom Erdgeschoss bis in die obersten Geschosse mit grün lackierten Holzfensterläden auszustatten. Da mag es kaum verwundern, dass vor dem Eingang zwei Gartenzwerge promenieren. Auch auf die Idee, einem Hochhaus/Wolkenkratzer ein Tiefhaus/Hadeskratzer an die Seite zu stellen, muss man, so naheliegend sie dann doch scheint, erst einmal kommen. Betont werden himmlische und Höllensphäre zusätzlich durch die Farbwahl des für die Skulptur verwendeten Acrylglases. Und ja, der überraschende Blick in den Hades lohnt sich, denn unerwartete Abgründe tun sich auf, soviel kann hier schon verraten werden.
Auch die Drillingstürme sind natürlich nicht ohne Verweis auf die reale Welt, sie zitieren und übertrumpfen die im Jahre 2001 von Terroristen in Schutt und Asche gelegten Twin Towers in New York. Und auch New York, New York selbst ist in der Ausstellung zu sehen. Die einzige Keramikarbeit, ganz in Platin gehüllt, kühl, so wie man die Silhouette der Millionenstadt imaginiert. Hier lohnt der genaue Blick, denn es finden sich unter anderem Ginger und Fred, eine Anspielung auf ein von dem kanadischen Architekten Frank Gehry realisiertes Bürogebäude in Prag gleichen Namens oder auch eine Hommage an Constantin Brȃncusi.
Mit Kirschen geschmückt ist eine weitere Hommage, diesmal an Claes Oldenburg, während die nächste an Toyo Ito dessen unverkennbaren Formenkanon aufgreift. Es ist ein überaus intelligentes Spiel der Möglichkeiten und Anspielungen, das Otto Scherer vor dem Betrachter ausbreitet und für das es allein vom Thema her keinen besseren Ausstellungsraum geben könnte, als das in seiner Architektur selbst so komprimierte, stringente und klare Studio Rose. Es bereitet großes Vergnügen, sich auf dieses vom Künstler begonnene Spiel einzulassen und es in Gedanken weiterzuspinnen. Es sind phantastische Artchikturen ganz im Sinn der Wortneuschöpfung, die kongenial den künstlerischen Gehalt der Ausstellung auf den Punkt bringt.
Die intelligenten, nicht immer ganz ernst gemeinten Artchitekturen können am 3. und 4. Dezember jeweils von 11 bis 18 Uhr im Studio Rose besichtigt werden. Und wer weiß: Vielleicht kommt dem einen oder anderen zukünftigen Bauherrn beim Betrachten ja tatsächlich eine zündende Idee für sein eigenes Bauwerk …
Hommage an wen? Constantin Brȃncusi war ein rumänisch-französischer Bildhauer, dessen plastische Arbeiten in Bronze, Marmor, Holz oder Gips der Avantgarde zugeschrieben werden. Der in Stockholm geborene Claes Oldenburg zählt neben Andy Warhol und Roy Lichtenstein zu den bedeutendsten Vertretern der amerikanischen Pop Art. Seine aus einfachen Werkstoffen gemachten Skulpturen, die auch alltägliche Gegenstände abbilden können, machten ihn bekannt und berühmt. Toyo Ito ist ein in Korea geborener, japanischer konzeptioneller Architekt, der in seinen Arbeiten die Grenzen zwischen realer und virtueller Welt auflöst. Thomas Schütte, geboren in Oldenburg, ist Bildhauer und Zeichner, er studierte u. a. bei Gerhard Richter. Zu seinen Arbeiten gehören auch Architekturmodelle, darunter die „Ferienhäuser für Terroristen“, auf die Otto Scherer mit seinem „Schläferhaus“ anspielt.

 

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19. FEBRUAR 2016
EINFÜHRUNGSREDE VON KULTURJOURNALIST ANDREAS BRETTING

 

 

VORREDE

 

Woran man ein gutes Foto erkenne, wurde Henri Cartier-Bresson einst gefragt. Der 1908 geborene französische Fotograf und Mitbegründer der Fotoagentur „Magnum“ hatte darauf eine erstaunlich knappe Antwort: Ein gutes Foto ist ein Foto, auf das man länger als eine Sekunde schaut.

Gemäß dieser Definition denke ich, sind wir hier heute richtig, denn Horst Essers Fotografien verfüh-ren wirklich dazu, länger vor ihnen stehen zu bleiben und länger in sie hinein zu blicken.

Meinen ersten Abschnitt möchte ich nennen:

I. HORST ESSER, DER REISENDE

Ein faszinierender Erzählstrang in dieser Ausstellung sind die Eindrücke der Reisen nach Indien. Aufgenommen wurden sie in der Stadt Varanasi, oft noch bekannt unter dem Namen der Kolonialzeit, Benares. Die rund 90 Treppen dieser Stadt, die alle zum Ganges hinunterführen, dienen gläubigen Hindus zu Beten, teils auch zum Einäschern ihrer Toten, aber natürlich sind sie auch eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges.

Und doch mag eines erstaunlich erscheinen. Wenn Inder nach Varanasi kommen, so haben sie im Regelfall keinen Fotoapparat dabei. Sie brauchen kein Bild für das eigene Fotoalbum. Sie machen auch keine Selfies, denn sie hegen nicht den Drang, allen Bekannten zu beweisen, dass sie dort waren.

Was für die gläubigen Hindus zählt, ist eine innere Bereicherung, ein spiritueller Mehrwert, sozusagen das Bild, welches sich ihr inneres Auge von der Situation macht.

Nun ist Horst Esser natürlich Europäer und Fotograf, also kann er seine Berufung nicht verleugnen. Aber dennoch sind seine Aufnahmen mehr als nur ästhetisch qualifizierte Reise-Referenzen. Für mich eröffnet sich in diesen Indien-Fotos ebenfalls ein Ansatz zu einer spirituellen Herangehensweise. Denn mehr noch als die äußere Wirklichkeit versucht Esser die Sichtweise klarzulegen, die sich sein inneres Auge macht.

Diese gewissermaßen „innere Wahrheit“ kann beispielsweise ein Staunen sein. Ein Staunen darüber, dass in Indien sogar auf einer heiligen Treppe zu manchen Tageszeiten ganz banal die Wäsche gewa-schen und getrocknet wird. Ein Staunen sicherlich auch darüber, dass mitten im überbordenden Chaos von Varanasi plötzlich ein grafisch strenges Muster auftaucht, wie in STRIPES AT THE BANKS zu erkennen.

„Mein Interesse war es immer, etwas so wiederzugeben, wie ich es empfinde“, hat Horst Esser einmal gesagt. Dies bedeutet dann auch: Wichtiger als die unverstellte Darstellung wird manchmal die Bildbearbeitung, denn erst sie kann dem Betrachter die künstlerische Sicht offenlegen.

Gerade bei den Ghats – den heiligen Treppen am Ganges – scheint Horst Esser zu spüren, dass ein rein dokumentarisches Foto zu wenig wäre, um die die ganzen mitschwingenden Bedeutungen zu erfassen.

So lässt er bei ANCIENT WORLD APPEARANCE nur den Mittelteil farbig erscheinen. Esser war hier einserseits daran gelegen, die antikische Anmutung der Menschengruppe anzudeuten. Zugleich aber wird durch diesen Kunstgriff die Konzentration des Blicks gelenkt und überdies noch eine Andeutung über die Unvollständigkeit dieses einzelnen Eindrucks getroffen – denn tatsächlich ziehen sich die Ghats, die heiligen Treppen, über fast zwei Kilometer am Fluss entlang.

Eine weitere Möglichkeit, diese extreme Ausdehnung der Ghats fotografisch zu erfassen, ist das An-einander-Montieren von Einzelmotiven. Bei LILA IN VARANASI hat Esser dies gemacht, und wieder ist ihm eine mehrfach „schillernde“ Bildumsetzung gelungen.

Ein Vexierspiel ist das Bild zunächst in seiner formalen Gestalt, denn an manchen Stellen greifen die montierten Bildteile fugenlos ineinanander, während sie an anderen Stellen einfach abgeschnitten sind – aber dies sieht man erst auf den zweiten Blick. Hierdurch wird für mein Empfinden die horizontal bildsprengende Dimensionalität der Ghats angedeutet.

Auffällig ist natürlich auch die schwarz-weiße Figur der Wasserträgerin, die in den Himmel einmon-tiert ist. Für mich transportiert sie eine spirituelle Botschaft und zeigt auf, dass die Ghats jenseits des chaotischen Gewimmels auch eine transzendente Bedeutung besitzen.

Horst Esser selber wiederum sieht durch die Figur exemplarisch die überall zur Mithilfe verpflichteten jungen Mädchen verkörpert, ohne die der indische Alltag nicht funktionieren würde. Er erspürt durch diesen Montageteil also hinter dem bunten Oberflächeneindruck eine soziale Komponente irgendwo zwischen zwischen Ausbeutung, Hilfsbereitschaft und Tradition.

Wie auch immer die Deutung ausfallen mag, so erscheint mir doch bei dieser Form von Montagen die Menge an Wirklichkeitsgehalt stets größer als die Summe ihrer Teile.

Dies führt zu einem zweiten Gedankengang: Ist Fotografie ein Medium der Wahrheit oder nicht sogar eine ….

II. …. MODELLIERUNG DER WIRKICHKEIT

Der französische Philosoph Roland Barthes postulierte in seinem 1980 erschienen Buch „La chambre claire“ (Die helle Kammer), der Fotografie zugrunde liege stets die Emanation des Referenten, sie sei also stets der Ausfluss einer reellen Erscheinung. Aber trifft dies auch hier zu?

Horst Esser, so denke ich, ist ein Grenzgänger. Einerseits sind die meisten seiner Fotografien zwar als Abbildungen von Realität durchaus erkennbar, andererseits aber interessiert den Künstler hauptsächlich, seinen eigenen Eindruck einer situativen Gegebenheit an den Betrachter zurückzuspiegeln. Hierdurch wird die Fotografie tatsächlich zu einem künstlerischen Medium, ganz ähnlich zur Malerei, in der auch erst die Bildkomposition und die Stilistik eine Abbildung zu einem Kunstwerk überführt.

Vielleicht ein kleines Vorbild, zumindest aber eine Parallele sehe ich in der Kunstrichtung der soge-nannten subjektiven Fotografie – ein Begriff, der besonders auf Otto Steinert zurückgeht – in den 60er Jahren Professor für Fotografie an der Folkwangschule in Essen.

Bereits Steinert sprach sich für Montagen aus, er spielte mit starken Kontrasten oder mit der sogenannten Solarisation des Lichts. Steinert formulierte: ,Subjektive Fotografie‘ …. bedeutet eine Handhabung der Kamera, um den Einzelobjekten ihrem Wesen entsprechende Bildsichten abzugewinnen.“

Ich denke, dass mindestens ein Teil dieses Ansatzes auch für Horst Esser zutrifft. Schauen wir be-sispielhaft auf das Foto ANDRO & GYNE – ein Foto aus dem Schaufenster einer Modeboutique, bei dem Horst Esser das offensive Spiel mit dem Überschreiten und Verwischen von Geschlechtergrenzen faszinierte – übrigens bereits viele viele Jahre bevor dies zum allgemeinen Hype wurde.

Das Erkennen einer solchen versteckten Semiotik in und hinter den Dingen ist eine Spezialität des Künstlers. Und so kann man trefflich diskutieren, ob der Trick mit dem Invers-Effekt, der bei Schwarz-Weiß-Aufnahmen die Umpolung von Hell auf Dunkel erreicht, nun eine Verfremdung dar-stellt oder im Gegenteil eine Kenntlichmachung des ansonsten kaum zu Sehenden.

Denn bei STIMMGABEL und bei WIRE PERFORMANCE konfrontiert uns Esser mit banalen techni-schen Einrichtungen, die erst durch ihre künstlerische Betonung als grafische Zeichen erkennbar wer-den. Esser zeigt uns auf, dass sogar technische Objekte in der Landschaft als ästhetisch struktgebendes Element wahrgenommen werden können, wenn man nur den richtigen Blick darauf richtet.

Das konzentrierte, beinahe quadratische Format legt Esser auch dem Foto VISITING EYÜP zugrunde. In diesem Schwarz-Weiß-Foto, das in einem konservativ geprägten Stadtviertel Istanbuls entstand, lenkt den Blick auf das unscharfe Zentralmotiv einer jungen Frau mit Kopftuch, einerseits wohl als Andeutung der relativen Verschlossenheit dieses Stadtquartiers, vielleicht aber auch die Aura des Rätselhaften einer fremden Religion, wobei man das fokussierte Fenstergitter noch als Symbol der Abgeschiedenheit der Frau, oder aber als Symbol des Ausgeschlossenseins des Betrachters von einer nicht gänzlich aufhebbaren Kulturgrenze deuten kann.

Wie dem auch sei, Esser selbst bezeichnet diese Art der Bildsprache als Metaphern für seine eigenen Erlebnisse.

Noch einmal nach Istanbul begibt sich Horst Esser mit seiner großen Farbfotografie von der YENIKA-PI ALLEY. Hier ist es die Wahl des Bildausschnitts mit seinen stumpfen Farben, verbunden mit dem Einsetzen eines schwarzen Abschlusselements ganz oben, welches dem eigentlich fast natürlichen Foto eine rätselhaft kulissenartige Wirkung verleiht, so als trete man nicht in eine Gasse, sondern auf eine Theaterbühne. Und wer weiß, vielleicht ist genau das der Reiz dieses Bildes, dass man Instanbul hier nicht nur sieht, sondern auch als eine gewisse Zumutung erspürt – ein Gassengewirr, dessen Hermeneutik Besuchern sicher nicht ganz leicht fällt.

Lassen Sie mich nun zum dritten Abschnitt kommen, nämlich

III. HORST ESSER ALS ENTDECKER UND KONSTRUKTUER
DER RÄTSELHAFTIGKEIT

Momente der Rätselhaftigkeit – dort wo die Wirklichkeit uns mit einer nicht verstehbaren Semiotik konfrontiert –, findet Horst Esser sogar bei technischen Motiven im Alltag, etwa beim Zweifach-Foto des SKY-LINE-MOVE, das einfach nur beim Blick in den Himmel entstand und dort eine ungewöhnli-che Zeichensprache offenlegte.

Als Steigerung dieser Kunstform, die Horst Esser nicht mehr Fotografie, sondern „Foto – Grafik“ nennt, fügt der Künstler manchen Elementen auch gewollte Effekte hinzu. Hierbei kann man manch-mal ahnen, dass Esser beruflich eigentlich von der Filmbearbeitung kam und noch mit der Ästhetik der alten analogen Röhrenfernseher vertraut ist, die das Bild zeilenartig aufbauten und verdichteten.

In der Ausstellung begegnen uns diese Bearbeitungen einmal in einer Art von Bildrauschen, das von einem alten Dokumentarfilm stammen könnte, wie etwa im INDIAN LIVING POINT, das neuerlich eine typische indische Szenerie zeigt, laut Esser nämlich das, was man in Indien unter „draußen Sitzen im Garten“ versteht – einfach .. das .. nach .. draußen .. getragene .. Bett.

Bei anderen Werken fügt Esser helle Zonen ein, als habe der Bildaufbau durch den Kathodenstrahl eines Fernsehers nicht ganz geklappt. Mit einer hell-dunklen Kästchenstruktur hebt der Künstler den bildlich erfassten Gegenstand beim WARCRAFT SPIRIT über die Qualität einer schlichten Abbildung hinaus.

Noch offenbarer wird diese Art der hinzugefügten Fernseh-Ästhetik beim Werk CHANGING MOON, das dem Mond sowohl die Verzerrung eines alten Fernsehbildschirms mitgibt als auch überhaupt den Mond zu einer Chiffre erhebt, die auf weißem Grund separiert die Landschaftswahrnehmung unter-bricht. – Mich erinnert diese Montage an eine späte Replik auf den „Wettlauf zum Mond“ Ende der sechziger Jahre, als der Mond nicht mehr nur Teil der romantischen Natur sein durfte, sondern zum Gegenstand einer fast manischen Technikbegeisterung wurde – die ja übrigens auch im Fernsehen übertragen wurde, mithilfe von zahlreichen technischen Einrichtungen im Voralpenland –
Raisting und Oberpfaffenhofen mögen hier als Stichworte geügen –, und genau darauf wiederum könnte die umgebende Landschaft verweisen.

Erinnert nicht außerdem die gekippte und verzerrte Darstellung des Mondes genau an jene Ästhetik, die man damals vom Mond aus hatte, wenn man die aufgehende oder untergehende Erde betrachtete?

Vielleicht ist dieses Bild also nicht im Helligkeitswert, sondern im Inhalt invers und befremdet formal durch eine Verzerrung aus der Trickkiste der Technikhistorie ebenso wie durch den mitschwingenden Gedanken, wir seien eigentlich nur Astronauten auf dem eigenen Planeten, und wir nähmen die Wirklichkeit mittlerweile stärker durch die Medien wahr als durch das unmittelbare eigene Erleben.

Daher möchte ich den kurzen Schluss-Abschnitt unter die Perspektive stellen:

IV. DIE PHOTOGRAPHIE ALS REFLEXION
ÜBER DIE CONDITIO HUMANA

Diese Befremdlichkeit unseres Existenzgefühls auf der Erde ist es, die sich in vielen Fotos Horst Es-sers offenbart. Eine solche Irritationen über das Sein und das Da-Sein verrät die BEACH INSTALLA-TION – hier ist die Montage unübersehbar und Horst Esser gibt gerne zu, dass er sich hier an die Stilistik des Surrealismus anlehnt, wenn er eine silbrig glänzende technoide Metallfläche in einen Sandstrand hineinragen lässt.

Aber natürlich sucht der Betrachter über die reine Bildrezeption hinaus stets auch noch nach mögli-chen Bedeutungsebenen, und so erscheint es schwer, sich angesichts einer handgreiflichen Irritation auf den ästhetischen Bildgenuss zurückzuziehen.

Jeder kann, jeder darf etwas anderes interpretieren, das ist von Horst Esser ausdrücklich gewünscht. Für mich aber ist diese Montage ein Sinnbild unserer eskapistischen Sehnsüchte, als ob wir in einer Urlaubsreise unsere inneren Spannungen ablegen könnten. Auf mich wirkt das hineinragende Metall, als ob wir sogar noch an fernen Orten auf uns selber zurückgespiegelt werden. Dass dieser Spiegelef-fekt hierbei recht trüb ist, zeigt umso mehr, dass wir uns meistens selber gar nicht vollständig kennen und uns daher umso mehr im Weg stehen, wenn wir den Blick auf die Wirklichkeit anstreben.

Auch die größte Montage RED ABOVE wirkt latent bedrohlich – aber lassen Sie uns mit einer positi-veren Gestimmtheit enden. Denn wie man auch schon an der hellen Kontur in der roten Struktur er-kennen kann, ist in diesem Bildmotiv durchaus eine Deutung in Richtung Helligkeit und nach oben hin möglich.

Und so könnte man folgern, dass manchmal auzch das beherzte Hineingreifen in das vulkanische Ge-brodel notwendig ist, um kreativ und schöpferisch zu werden, denn nur so entgehen wir Leere, Tri-stesse und Erstarrung, wie sie im unteren Bildteil angelegt ist. Greifen wir also lieber mitten ins Leben hinein, auch wenn dies gefährlich sein mag.

Abgeleitet von diesen Gedanken kann gelten, dass gerade unwirklich scheinende Fotos eine Möglich-keit bieten, von einer Refraktion zu einer Reflexion über die Dinge zu gelangen, denn bereits im klei-nen Moment der Faszination, besser noch der Irritation, beginnt der Blick hinter die Kulissen des Daseins.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen gute Eindrücke und gute Gespräche bei dieser Ausstellung.

Andreas Bretting, Weilheim
Kulturjournalist

 

NACHTRAG

Aus Gründen der zu ausufernden Länge und der Hängungslogik gestrichen (sonst hätten die Besucher zu rasch ihre Blickrichtung wechseln müssen)
– Ursprungsposition dieses Abschnitts nach „ANDRO & GYNE“

Eine besonderer Blick auf ein Motiv kann manchmal auch genügen, um ein großes Foto zu erzielen. Zunächst erscheint etwa die Abbildung der PENNSYLVANIA STATION als ein normales Bild – doch im Gegensatz zu üblichen Fotografien verweigert sie sich dem breiten Landscape-Format. Gerade dadurch, so finde ich, wird unbewusst die Beschränktheit des Aufenthalt am U-Bahnhofs ausgedrückt; eine ortstypische Beschränktheit ebenso in der Aufenthaltsqualität wie auch in der Aufenthaltsdauer, ein Gefühl des Transitorischen, hier im Foto noch symbolhaft verstärkt durch die verwischenden Konturen eiliger Passanten am Bahnsteig.

Damit im Spannungsverhältnis steht die Hinlenkung des Blicks auf die grafisch rhythmisierte Decke als einem recht versteckten ästhetischen Erlebnis.

 

 

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Bericht über die Vernissage am 17. Oktober 2015

Anwesend, abwesend – kaum ein Unterschied

Im Studio Rose zeigt Julia Albrecht in ihren Bildern lichtmalerische Echos auf eben verstrichene Momente

von MINKA RUILE

 

Schondorf Fast wurde es ein bisschen eng im Studio Rose in Schondorf, so viele Besucher waren am Samstag zur Eröffnung der Ausstellung ,,Kleine Pausen“ der Dießener Malerin Julia Albrecht gekommen. Und so musste sich Michael Sorger, der für diesen Abend die Hausherrenrolle übernommen hatte, im Stimmengewirr erst einmal Gehör für seine kurzen Begrüßungsworte verschaffen und die Bitte um Aufmerksamkeit für Einführungsredner Stefan Boes.
Der Herausgeber des Magazins ,,KulturLand“ machte in einer ebenso straffen wie detail- und kenntnisreichen Auseinandersetzung mit Arbeit und Werk Julia Albrechts kein Hehl aus seiner persönlichen Wertschätzung für die ,,kunstvoll malerische Erinnerungsarbeit… und den intimen Realismus“, mit dem die Künstlerin Momente der Wirklichkeit festhalte, die ohne ihre Bilder verloren gingen. Vor allem in Letzterem bezog er sich auf Arbeiten wie insbesondere die beiden kleinen Collagen aus alten Druckplatten, Karton, Zeitungspapier und Acrylfarbe, ,,Steg“ und ,,Edelweiß“, die ,,das Verlorene und achtlos Weggeworfene archivieren, also über die Zeit bringen.“
Doch auch anderes – andere! – rettet Julia Albrecht hinein in die Zeit: Abwesende, wie es scheint gerade aus dem Bildraum Herausgetretene, deren Präsenz in der Art der Bildinszenierung dennoch fast körperlich spür- und erfahrbar bleibt. Stühle spielen dabei eine wichtige Rolle: Vom Schreibtisch abgerückt, Rückenlehne an Rückenlehne herangezogen an ein weit geöffnetes Fenster oder im wilden Durcheinander an Deck einer Fähre und nicht zuletzt in einer kleinen Ansammlung unterschiedlich einander zugeordneter Liegestühle – allesamt ,,menschenverlassen“, bezeugen sie doch das genaue Gegenteil: Es wimmelt auf ihnen förmlich von nicht sichtbaren ,,Besitzern“ in den bildnerischen Schilderungen, die diese vermeintlich stummen Zeugen von ihnen geben. Noch meint man sie zu hören, die Gespräche der Fährengäste, die soeben von Bord gegangen sind oder das Rascheln des Papiers am nun verlassenen Schreibtisch. Und man folgt dem Blick zweier stiller Landschaftsbetrachter, die sich, fröstelnd in der kühlen Abendluft vielleicht, soeben von ihren Fensterplätzen zurückgezogen haben.
Geleert stehen auch Glas, Krug und Flasche auf einem grünen Tisch im ,,Biergarten“ und erinnern an die Ausflügler, durch deren Hände sie soeben noch gegangen sind. Sie stellen sich dem Betrachter förmlich in den Weg, fangen seinen Blick ein, noch bevor er sich in die dahinter liegende Landschaft verliert. Wie eine Kulissenschieberin legt Julia Albrecht Gegenstände, vielfach Objekte aus Glas, in die Bildvorder- beziehungsweise Mittelgründe ihrer oft großformatigen Acrylbilder: Vasen, leer oder mit Wasser gefüllt, gelegentlich hinein drapiert ein paar wenige zarte Blüten. Oder Henkelkrüge, die fast schon obeliskenhaft von angedeuteten Tischflächen aufragen und in der Umkehr der Größenverhältnisse (der in den Vordergrund gerückte Glaskrug nimmt mehr Bildfläche ein als die gesamte Baumgruppe dahinter) eine enorme Bedeutungsaufladung erfahren. Artefakt und Naturkulisse treffen so in einer fast montageähnlichen Situation aufeinander. Doch die Ebenen verbinden sich. Die Transparenz der Glaskörper nämlich erlaubt, dass der Blick des Betrachters nicht an ihnen ab- beziehungsweise zurückprallt, sondern – gebremst vielleicht – durch sie hindurch gleiten kann. Das schnelle, oberflächliche Schauen fängt Julia Albrecht geschickt ein, federt es ab und lenkt den Blick behutsam und gleichsam entschleunigt zurück in ihre Bilder und deren vielschichtige Bedeutungsebenen. Nicht weniger als diese hohe und ungeteilte Aufmerksamkeit haben ihre hoch elaborierten Arbeiten auch verdient.
Teilen kann man Julia Albrechts sehr empfehlenswerte ,,Kleine Pausen“ bedauerlicherweise nur noch am kommenden Wochenende, Samstag und Sonntag, 24. und 25. Oktober, jeweils von 14 bis 18 Uhr im Studio Rose, Bahnhofstraße 35 in Schondorf am Ammersee.

 

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JULIA ALBRECHT
KLEINE PAUSEN
Malerei und Collagen
Studio Rose, Schondorf, Eröffnung 17. Oktober 2015, 19.00 Uhr
(Stefan Boes, Herausgeber Edition KulturLand)

 

Liebe Julia Albrecht, meine Damen und Herren, verehrtes Publikum!
Der Titel „Kleine Pausen“ ist eigentlich eine Täuschung, denn diese kleinen Pausen sind große Malerei. Hier werden mit den Mitteln der Kunst, des sensuellen Erlebens und Umsetzens die Elemente Luft, Wasser, Erde, Feuer, Licht, Raum transferiert.
Hier und heute ließe sich nun schlicht staunen ob der naturhaften Schönheit dieser Werke. Doch das wäre zu wenig. Zu groß sind die Hintergründigkeiten in den Bildern und Collagen, zu licht und bewegt sind die Augenblicke in ihnen, zu magisch sind die Kompositionen, die dem Realismus verbunden sind – nur welchem, dem expressiven, einem spät- oder nachimpressionistischen, einem regional landschaftlichen?
Schon holen die Werke von Julia Albrecht den Blick mitten hinein in die Welten des Zellsees, einer Welle, des Sommers am Sees, der Eisberge, des Arbeitsplatzes, oder collagiert in die Welten eines Edelweißes oder eines Stegs, außerdem im gemalten Panoptikum in ein Ostbad, hinter den Vorhang oder nach Büllerbü.
Diese Welten scheinen aus sich heraus zu oszillieren und selbst wenn sie ruhen bewegt zu leuchten. Ein Phänomen? Ein unerklärliches Geheimnis? Nein, das ist große Malerei, eine Malerei, die absichtlich und bewusst Farbe und Raum, Licht und Schatten, Bewegung und Statik einsetzt, um das Bild einer in sich stimmigen Komposition zu erzielen.
Julia Albrecht trägt diese Komposition über längere Zeit in sich. Sie führt sie mit sich, wägt sie ab, in etwa so wie einst griechische Philosophen während der Antike mit Ansätzen und Ideen durch Hallen und Gärten gingen, also in ihren Gedanken lustwandelten und währenddessen deren Gehalt und Verhältnis quasi räumlich abschritten.
Ähnlich begeht Julia Albrecht ihre Bilder. Sie greift unterwegs – meist in der Natur, aber nicht nur – Farben und Stimmungen auf, die sie dann im und am Atelier umsetzt, in geradezu opulenter Detailarbeit bei kleinformatigen Ansichten, auch an der Staffelei als Blick aus dem Fenster, oder in der Übersicht wie zumeist in ihren Wasserbildern, die liegend entstehen und den Blick darauf ermöglichen.
Das Gesehene wird also zeitversetzt übertragen, nicht eins zu eins, das wäre eintönig, sondern transzendent, im Tenor der ursprünglichen Szenerie, will sagen interpretativ, damit das Eigentliche zu Tage tritt.
Das Eigentliche aber ist ohne Ganzheitlichkeit nicht zu denken. Im Glas beispielsweise, einem immer wiederkehrenden Motiv der Künstlerin, bündelt sich alles, der Blick darauf, das Licht darin, der Raum darum, also alles, was nicht in Worte zu fassen ist, wohl aber in Bilder. Als Jean-Paul Sartre einmal in „Der Ekel“ eine Wurzel in deren Existenz beschrieb, da brauchte er dafür mehrere Seiten. Julia Albrecht braucht ein Bild, um die Existenz eines Glases zu würdigen.
So ergänzt und erweitert Julia Albrecht das Gesehene, also die reine pure Wirklichkeit um den Aspekt der Erinnerung, den einer distanzierenden Erinnerung, die eine kritische ist und jede Verklärung von vorneherein ausschließt. So vermeidet die Wirklichkeitsmalerei jedwede plumpe Gegenständlichkeit. Vielmehr ist diese in der Lage, die Würde und Intimität des erlebten Augenblicks, das Sosein ins Geviert zu holen. Max Beckmann sprach in diesem Zusammenhang einmal von der „inneren Vision“, die im Bild zum „visuellen Faktum“ wird. Dazwischen liegt die Freiheit der künstlerischen Interpretation, die für die Wirklichkeitsmalerei entscheidend ist. Denn ohne Freiheit, von der auch Julia Albrecht sagt, dass sie sie in ihren Bildern lebt, wäre jedes Werk nur billiger Abklatsch, nur blankes Abbild eines Vorbilds.
So ist es nicht. Dies ist kunstvolle, freie, malerische Erinnerungsarbeit, wie in dem Werk Windstill, das über dem nahezu glatten Meer ruhige Luft zu atmen scheint, wie eben Bei Marlene, wo sich im Glas der Mikrokosmos versammelt, wie in dem Werk Fähre, in dem jedes Licht zum gleißenden, zum erhellenden wird, auch in der Spiegelung, denn in den Fenstern zeigen sich die Farben des Meers, auch das gehört zur ganzen Wirklichkeit.
Die Würde und Intimität des Existierenden zu bewahren ist das eigentliche Anliegen der Künstlerin Julia Albrecht. 1962 in München geboren studierte sie dort Kunsterziehung; zunächst lehrte sie an Hochschule und Universität; von 1994 bis 1998 freischaffend tätig ist sie heute Kunsterzieherin; über alle Jahre hinweg war sie in Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen, von Passau bis Gauting, von Rosenheim bis Frankfurt, zuletzt in Dießen, wo sie heute lebt, oder 2000 in Irsee, als Teilnehmerin der Sommerakademie mit Peter Casagrande.
So unterschiedlich die Zeiten, so innovativ war stets ihr Œuvre. Darin entwickelte Julia Albrecht ihren Ansatz der kreativen Intimität im Gesehenen kontinuierlich fort. Zunehmend entdeckte sie dabei die Farbe als wesentliches Stil- und Ausdrucksmittel. Diese ist nicht bloß Farbe, sie durchläuft Metamorphosen, sozusagen auf der Palette. Nahezu jede Farbe macht den Weg durch eine andere, vom Grau zum Blau ins warme Grün beispielsweise, vom Blau über Rot ins kalte Grün.
Nichts ist unbewusst, nichts ist unabsichtlich, jedes Licht ist ein ehedem erlebtes und im Geviert inszeniertes, jeder Schatten skizziert einen Sinn, ist übrigens nie Schwarz, sondern immer ein vielfarbig angelegter.
Der Schatten ist ja ein Bruder des Lichts. Edward Hopper hat einmal gesagt, in jedem Schatten lägen mehr Rätsel als in allen Religionen der Vergangenheit und Gegenwart zusammen. Denn der Schatten holt beispielsweise das Licht ins Bild. Eine Figur, ein Glas, ein Baum würde ohne Schatten in Beziehungslosigkeit erstarren. So aber geraten sie in Bewegung, wie die Welle, die nicht schlicht ausläuft, sondern differenziert um sich greift, zurück und vor, in allen Facetten des dynamisierten Lichts.
„Ich bin ein Bewegungsmensch“, sagt Julia Albrecht von sich. Nichts ist in ihren Bildern statisch, alles was statisch sein könnte, wird in Bewegung versetzt. So wird der Blick über den Bahnhofsplatz an einem Freitag Nachmittag zu einem virtuosen Beziehungsspiel der Figuren in ihrer Vereinzelung – das Bild ist dabei der ganzheitliche Raum, den erst Julia Albrecht um ihre Protagonisten herum baut. Er vereint alle bedeutenden Elemente – die Luft, das Licht, den Gang der Zeit, deren Innehalten, deren Schnelligkeit.
Das Entscheidende ist, dass hier, in Julia Albrechts Werken, alle Stil- und Ausdrucksmittel die szenische, kreative Intimität des Gesehenen und Erlebten ins Bild übertragen. Dort sind es dann geschützte Räume, die das Motiv bewohnen kann.
Ausgesprochen deutlich wird das in Collagen aus alten Druckplatten, Karton, Zeitungspapier und Acrylfarbe, die das Verlorene und achtlos Weggeworfene archivieren, also über die Zeit bringen. Aber auch in den kleinen gemalten und collagierten Bildern aus Skizzen und gemalten Bildern manifestiert sich der kurze Augenblick einer Libelle oder eines Frühstücks, teilweise in manierierter Grazie wie in dem Sprung einer Dame, die mitten im Jugendstil zu landen scheint. Natürlich und nicht zuletzt in der großformatigen Malerei, die zum Portfolio wird, der Figuren in der Welle, des Glases im weiten Rund des Gartens, der Stühle am Strand. Alles ist einerseits fiktiv, wie im Roman, und andererseits doch gemalter Realismus, intimer Realismus, der mit den Mitteln der bewegten, flirrenden, filigranen, diaphanen, pastosen, reduzierten, elegischen, wollüstigen Malerei stets das Eine festhält: Den kurzen Moment der Wirklichkeit, der ohne diese Bilder verloren gehen würde.
Während sich die Kunstgeschichte seit Jahrzehnten über die Bedeutung des expressiven und magischen, spät- und nachimpressionistischen, des regionalen Realismus uneinig ist, nehmen Sie teil an einer Ausstellung mit besonderen Werken des Intimen Realismus von Julia Albrecht. Vergessen Sie die Kunstgeschichte, erfreuen Sie sich an der Besonderheit, der Zartheit, der Ausdrucksstärke, der Ästhetik dieser Werke – vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 

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Studio Rose

Gemalte Fragen

Die Malerin Grazyna Guerrero über das Thema „Grenzen“

Von Minka Ruile

Grazyna Guerrero im Studio Rose. Foto: Minka Ruile

Der Kreis schließt sich vom Ende her bei der Hängung, zu der sich Grazyna Guerrero in ihrer aktuellen Ausstellung im Studio Rose in Schondorf am Ammersee entschlossen hat: im Eingangsbereich, auf einer Staffelei – „noch in Arbeit?“, denkt man fast unwillkürlich – „Fuego“, das mit der Nummer 30 letztaufgeführte Werk der Ausstellungsliste. Links neben dem Flammenmeer auf der Staffelei, an der zurückliegenden Wand, findet sich mit der Nummer 29 eine Arbeit, die sich in beinahe jeder Hinsicht so konträr zu ihrem ungestüm daherkommenden Nachbarn verhält, dass man sie aus diesem Grund vielleicht erst einmal gar nicht wahrnimmt. Beklemmend die Atmosphäre, in der sich eine Figurengruppe, nur als dunkle Umrisse zu erkennen, durch ein schleusenartiges, gleißend weißes Lichttor in einen düsteren, nicht näher definierten Raum drängt und dort im Aufprall auf einen das Bild im linken Viertel senkrecht durchschneidenden rot-weißen Schlagbaum zur bloßen Farbmasse kumuliert. Einige straucheln, taumeln zurück – die Szene löst sich nach unten hin auf. „Die Grenze“, so der Titel dieses frühen, 1986 entstanden Gemäldes der polnischstämmigen Künstlerin, schildert eindrucksvoll das bis zum physischen Schmerz empfundene, traumatische Ohnmachtsgefühl angesichts der Unüberwindbarkeit konträrer Ideologien, mit der sich Ost- und Westblockstaaten in der Zeit des „Kalten Krieges“ gegenüberstanden und voneinander abschotteten. So konkret die Situation, so unvermittelt ist hier auch die künstlerische Stellungnahme.

Dreißig Jahre später, die „Mauer“ ist gefallen, die meisten Schlagbäume haben ausgedient, greift die Malerin das Thema Grenze noch einmal auf. Ein ganzer Bilderzyklus entsteht: „Über Grenzen“. Fünf Bilder daraus – alle im Hochformat, etwa 100 auf 80 Zentimeter groß, alle mit dem gleichen Motiv, sind in Schondorf zu sehen: In ungestümer Bewegung stürzen, vom oberen, rechten Bildrand kommend eine Frauenfigur, vom unteren linken Bildrand, teilweise durch diesen angeschnitten, ein Mann, im wilden Sprung aufeinander zu. Es entstehen Kreuzungspunkte, im Idealfall kommt es zum einvernehmlichen Aufeinandertreffen oder aber zur Konfrontation. „Über Grenzen“ schreiten, so Guerreros Hinweis, müssen wir nach wie vor. Die Schwierigkeit heute besteht darin, Grenzverläufe überhaupt erst zu erkennen – auch die eigene, innere Begrenztheit auszuloten.

Dieser Fragestellung verleiht Guerrero malerischen Ausdruck, indem sie nur wenige räumliche und kaum sonstige dingliche Festlegungen trifft. Die Konzentration liegt ganz bei den beiden Figuren, was treibt sie an? Sehr viel konkreter werden die Arbeiten der immer auch politisch denkenden Malerin, wenn sie ihnen eine bestimmte Haltung implementiert, beispielsweise wenn sie auf die Folgen des Klimawandels hinweist. Die Einengung auf das konkrete Anliegen geht hier zuweilen mit einer Begrenzung der freien, assoziativen Gestaltung einher. Zu sehen ist die sehr eindrucksvolle Ausstellung im Studio Rose, Bahnhofstraße 35, in Schondorf noch am Samstag, 25., und Sonntag, 26. Juli, jeweils von 11 bis 18 Uhr.

 

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3. März 2015

AUSSTELLUNG
Urbanes und stimmungsvolle Landschaftsmotive
Drei Künstler machen Oberflächen zum Inhalt.
Werke sind im Studio Rose zu sehen von Nue Ammann

Jürgen Oliver Blank

Jürgen Oliver Blank arbeitet seit längerem als Fotokünstler und fängt mit seiner Kamera stimmungsvolle Landschaftsmotive, aber auch urbane Ansichten ein. Diese meist weiten Blicke mit ruhiger Atmosphäre bearbeitet er im Sinne der Bildverdichtung und präsentiert sie als hochglänzende Fotoarbeiten hinter Acrylglas. So werden nicht nur Kontraste geschärft oder Farben verändert, sondern auch Bildelemente ausgeschnitten, vervielfacht und erneut zum Motiv addiert. Dadurch konzentriert Blank seine inhaltlichen Aussagen und schafft intensiv erfahrbare Bildwelten, die nicht selten geheimnisvoll, fast mystisch wirken. Im Studio Rose zeigt er Arbeiten, deren Motive eine ausgeprägt rhythmische Komponente haben und Struktur als eine Form von Dopplung und Bewegung definieren; mal in lebendiger, doch zeitloser Ordnung wie eine Natursteinmauer, mal dynamisch als einen flüchtigen, fast gehetzten Blick durch eine Lichtung im Wald oder zart und lyrisch als wogende Blütenstengel über einem im Nebel liegenden Hintergrund.

Annunciata Foresti

Die Künstlerin Annunciata Foresti nähert sich dem Thema Struktur und Textur zum Einen auf klassisch malerische Weise, zum Anderen in einer Verbindung von Malerei und Fotografie. In ihren Gemälden schichtet sie Farbflächen aufeinander und erzeugt dadurch eine besondere Farbtiefe. In diese Aufbauarbeit fügt sie immer wieder gitterförmige Linien ein, die den Bildern Struktur verleihen und den amorphen Farbenflächen gleichsam Halt bieten. So gelingt ihr ein interessantes Wechselspiel aus organischen und linearen Mustern, das nicht zuletzt als eine Art biologischer Grundformel verstanden werden kann. In ihren Mixed Media- Arbeiten setzt sich dieser Aspekt in gegenständlicher Art fort: Makroaufnahmen von Pflanzen, deren Blätter oder Rinde eine innere Ordnung verdeutlichen wechseln sich mit Landschaftsaufnahmen ab, die diese beseelte Ordnung ins Große übersetzen. Ergänzt werden die Motive von den von Foresti gewählten Werkmitteln, so erscheinen die Fotografien als malerischer Auftrag und erhalten von den mit Leinwand bespannten Malplatten zusätzliche Textur.

Harry Sternberg

Der Fotograf Harry Sternberg, der in der Vergangenheit häufig mit ausgefeilten Fotomontagen von Landschaften überraschte, präsentiert in der aktuellen Ausstellung naturgemäße Ansichten von formal strukturierten Motiven. Als Trägermaterial für seine großformatigen Bilder entschied sich Sternberg für gebürstetes Aluminium. Dieses Untergrundmaterial bringt nicht nur eine eigene Struktur und Textur mit, sondern es verleiht den Fotos an farblich hellen Stellen auch einen silbrigen Glanz. Durch das ständig flirrende, lichte Leuchten, werden die bedachtsam ausgewählten Motive fast dreidimensional wahrgenommen und entwickeln ein verblüffendes „Eigenleben“. Ob erodierte Wüstenlandschaft, eine Ansicht von feuchtem Herbstlaub, parallel liegende, gemusterte Stoffballten oder der Blick in eine Fichtenmonokultur – alle Motive überzeugen durch ihre annähernd geometrischen Strukturen, die mal Kreisförmiges, mal Lineares oder Gezacktes in den Blick rücken.

Die kleine, aber sehenswerte Ausstellung „Strukturen und Texturen in der Malerei und Fotografie“ im Studio Rose in Schondorf ist nochmals am kommenden Wochenende, 7. und 8. März, jeweils zwischen 14 und 18 Uhr geöffnet.

19. Februar 2014
Malerei
Ein Ausflug ins Grüne
Landschaften und drei künstlerische Positionen

von Nue Ammann


Harry Sternbergs Bildwerke sind komponierte Arbeiten, die durch ausgereifte Fotomontage zustande kommen.

Annunciata Foresti ist immer auf der Suche nach malerischen Lösungen, um ihre Motive expressiv zu gestalten.

Jürgen Oliver Blank inszeniert seine Landschafts-Fotografien mithilfe digitaler Bildbearbeitung.

Schondorf Harry Sternberg, Annunciata Foresti und Jürgen Oliver Blank haben sich in ihren Arbeiten größtenteils dem Motiv Landschaft verschrieben. Aktuell zeigen die drei Künstler in einer Gemeinschaftsausstellung im Schondorfer Studio Rose einige ihrer höchst unterschiedlich dargestellten Naturansichten.
Grün könnte man als die vorherrschende Farbe beim Thema Landschaften erwarten, eben als vorrangige Zutat für eine Abbildung der Natur. Doch dies erweist sich bei der aktuellen Ausstellung als Denkfehler.
Und das nicht nur, weil Jürgen Oliver Blank seine Arbeiten hauptsächlich in Schwarz, Weiß und Sepia hält, sondern vor allem, da die ausgestellten Landschaften keine Abbilder sind. Vielmehr sind es Interpretationen und, oder Kompositionen, die innere, fantastische Landschaften wiedergeben. „Die drei Künstler“, so Kunsthistoriker Andreas Stipp in seiner Laudatio, „stellen Landschaft dar, sie bilden sie neu“. Im Bereich der Malerei ist die idealisierte Natur schon lange Bildmotiv, in der Fotografie, wie sie Harry Sternberg und Jürgen Oliver Blank bieten, konnte diese künstlerisch manierierte, oder manipulierte Natursicht erst mit der digitalen Bildbearbeitung zur Blüte kommen. Umso gelungener, dass bei dieser Ausstellung Malerei und Fotografie nebeneinander gezeigt werden und sich die Werke inhaltlich verschränken.
Harry Sternbergs Landschaften, auf Büttenpapier belichtete Fotografien, „sind frei erfunden“, betonte Andreas Stipp und fügte hinzu, Sternberg bediene sich der „Methodik der Malerei“, um „die Natur abzubilden und dennoch nicht die Wirklichkeit zu zeigen“. Seine Bildwerke sind komponierte Arbeiten, die durch ausgereifte Fotomontage zustande kommen. In seinen Landschaften gibt er eine Tiefe wieder, in welcher sich der Blick verlieren kann. Ob Kulturlandschaft oder „wilde“ Natur, das thematische Zentrum seiner Arbeiten liegt in der Schaffung von Ausgewogenheit. Diese lässt beim Betrachter friedvolle Stille aufkommen, die nach und nach durch leise Zweifel an der Wahrscheinlichkeit des Bildes in eine harmonisch schwingende Spannung übergeht.
Ganz anders die Gemälde von Annunciata Foresti, die nicht zuletzt durch ihren Duktus von Bewegung, Kraft und begeisterter Hingabe erzählen. Die Künstlerin, immer auf der Suche nach malerischen Lösungen, gestaltet ihre in der Ammerseegegend gesammelten Motive treffend und expressiv. Entsprechend reicht ihr Stil von naiv anmutender Darstellung bis zur Abstraktion.
Allen Bildern gemeinsam ist eine innige Wärme, die zum einen durch die Wahl der Farben entsteht, zum anderen durch Forestis Begabung, die gesehene Natur als ideal zu betrachten und darzustellen. Jürgen Oliver Blank inszeniert seine Landschafts-Fotografien mithilfe digitaler Bildbearbeitung. Doch fügt er den Ausgangsfotos keine Elemente aus anderen Bildern hinzu, sondern arbeitet streng mit Versatzstücken des Ur-Bildes. Dadurch entstehen nachvollziehbare Repetitionen, die das Motiv verstärken, dem Betrachter unbedingt vor Augen führen, welcher Zauber der gezeigten Landschaft innewohnt. Durch die von ihm stark erhöhte Schwarz-Weiß-Kontrastierung erhalten die Bilder zudem eine mystische Entrücktheit, die die eigene Fantasie befeuert.
Termin Die sehenswerte Ausstellung im Studio Rose in Schondorf, ist noch bis zum 23. Februar, jeweils Samstag und Sonntag von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

29. April 2013
AUSSTELLUNG
Keramikbriefe lassen Raum für Fantasie
Ausstellung mit Otto Scherer

von Romi Löbhard


Alte und neue Briefe – allerdings nicht auf Papier – im Studio Rose in Schondorf.

Foto: Romi Löbhard

Schondorf Auf den Monat (Mai) genau vor 20 Jahren trat der Pürgener Künstler Otto Scherer erstmals mit einer Ausstellung an die Landsberger Öffentlichkeit. Im Neuen Stadtmuseum zeigte er „Briefe“, vornehmlich in Rot und Gold auf schwarzes Papier gemalte Runen ohne wörtliche Bedeutung. Das Jubiläum nahm Scherer zum Anlass, erneut eine Serie solcher „geschriebener“, an die Ikonen der orthodoxen Kirche erinnernden Kunstwerke auszustellen.
Noch am kommenden Wochenende (4. und 5. Mai) sind im Studio Rose in Schondorf unter dem Titel „Alte und neue Briefe“ einige Arbeiten von 1993, aber auch brandneue, und das laut Scherer „im wahrsten Sinne des Wortes“, erst vor ein paar Tagen entstandene „Keramikbriefe“ sowie gerahmte Briefe im Stil der 20 Jahre alten Kunstwerke ausgestellt.
Die „Briefe“ wirken aus der Entfernung betrachtet, wie richtige, mit Wörtern und Sätzen beschriebene Dokumente.
Es bleibt nicht aus, dass der Betrachter näher tritt und versucht, aus dem Wirrwarr an Kringeln, Schleifen und Strichen Worte herauszukristallisieren. Und es gelingt auch teilweise, aber nur mühsam und nur mit sehr viel Fantasie. Interessanter bei näherer Betrachtung ist das Kunstwerk an sich, der Rahmen, das Passepartout. Als Untergrund diente teilweise festes, fast kartonähnliches Papier. Otto Scherer griff aber auch zu Bütten oder einfach nur altem Papier.
Darauf „schrieb“ der Künstler seine Runen meist mit roter Tempera, er verwendete aber auch sehr viel Blattsilber und -gold – oder einfach nur Blei- und Farbstift. Die Runen laufen oft von links nach rechts, aber auch umgekehrt.
Sie drehen sich zu Schnecke oder Spindel, wurden zum Kreuz geformt. Tiefen Eindruck hinterlassen die drei Keramikbriefe in Würfel-, Kugel- und Diskusform. Dicht mit Gold und Platin beschrieben, wirken sie, wären sie nicht in strahlendem Weiß gehalten, wie stumme Zeugen aus einer längst vergangenen Welt.
OttoScherer: „Alte und neue Briefe“ Ausstellung mit Malerei und Keramik im Studio Rose in Schondorf, Bahnhofstraße 35; geöffnet Samstag 4. und Sonntag 5. Mai von 11 bis 18 Uhr

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19. April 2013
AUSSTELLUNG
Immanentes Ordnungsprinzip
Doris Trummer und Dieter Finzel im Studio Rose in Schondorf

von Birgit Kremer


Eine Teezeremonie, Acryl auf Leinwand, von Dieter Finzel

Schondorf Schon die auf der Staffelei im Foyer des Studios Rose stehende großformatige Abstraktion von Dieter Finzel vermittelt einen guten Eindruck von dem, was der Besucher von der aktuellen Ausstellung mit Birnenporträts von Doris Trummer und Studien in Weiß von Dieter Finzel erwarten darf. Das ruhig, aber bestimmt durchkomponierte Bild dominiert den kleinen Raum durch kraftvolle Präsenz, seine unangestrengte Eleganz zeugt von einem sicheren Gespür für Qualität.
Wie bei den meisten seiner anderen Werke hat der Künstler die unter dem Weiß verborgenen Farbwelten nur teilweise freigelegt und überlässt es dem Betrachter selbst, sich auf Entdeckungsreise nach dem Nichtsichtbaren zu machen. In der ruhigen und konzentrierten Betrachtung beginnen sich die Arbeiten von Dieter Finzel zu öffnen und mitzuteilen.
Das über die Farbflächen wandernde Auge wird durch überlegt komponierte Strukturen geleitet, sodass die Kompositionen einem immanenten Ordnungsprinzip zu folgen scheinen, das nichts dem Zufall überlässt.
Die hauptsächlich abstrakten Motive entwickelt Dieter Finzel während der schöpferischen Arbeit im Atelier, wobei er lachend anmerkt, dass manche Bilder lange brauchten, bis sie für ihn tatsächlich vollendet seien. Auch die wenigen gegenständlichen Abbildungen des Künstlers, wie die Darstellung eines Blecheimers, überzeugen durch ruhige Linienführung, klare Formen und bewusst eingesetzte Kontraste.

Kongenial ergänzt werden die Arbeiten von Dieter Finzel durch die nur auf den Blick in der Tradition des klassischen Stilllebens stehenden Werke von Doris Trummer. Es handelt sich um kleinformatige Studien von Früchten oder Gegenständen aus der direkten Umgebung der Künstlerin.
Die in Mischtechnik auf Papier wiedergegebenen Birnen und Löffel sind das Ergebnis konzentrierter Beobachtung und geduldiger Annäherung an einen eigentlich alltäglichen, vertrauten Gegenstand, der in der künstlerischen Wiedergabe staunend neu entdeckt und durch seine Einzigartigkeit und Einmaligkeit porträtwürdig wird – eine Gattung, die in der Kunstgeschichte dem Menschen vorbehalten ist.
Akribisch genaues Falten von Papier
Dieses Staunen über die individuelle Ästhetik auch des unscheinbarsten Objektes wird bei den Birnenporträts durch die ungewöhnliche Wahl der Perspektive betont, die die Birnen von ihrer breiten Unterseite mit der vertrockneten Blüte präsentiert. Durch das Aufziehen der Papiere auf kleine Holzpodeste, die die Form der Früchte und Löffellaffen in die dritte Dimension überführen, changieren die Arbeiten von Doris Trummer zwischen Malerei und Objektkunst, was ihnen einen eigentümlichen Reiz verleiht.
Ebenso genau beobachtet sind die vier Hauben, die durch akribisch genaues Falten von Papier und dessen anschließende Höhung mit Bleistift ihren tatsächlichen Vorbildern aus der Kunstgeschichte bis heute in nichts nachstehen.
Auch sie sind auf kleine, die Haubenform aufnehmende Holzpodeste aufgezogen, die den Kontrast zwischen dem in der Fläche aufgefächerten Motiv und dessen Ausdehnung im Raum auf subtile Weise betonen.
Trotz aller Unterschiede sprechen die Arbeiten von Doris Trummer und Dieter Finzel eine sehr ähnliche Sprache, die in der Konzentration auf das vermeintlich Kleine und Nebensächliche von größeren Zusammenhängen erzählt, und so ist auf gerade mal 56 Quadratmetern Fläche eine kleine, liebevoll und überlegt konzipierte Ausstellung zu bewundern, die den Besucher unwillkürlich und unmerklich innehalten und zur Ruhe kommen lässt, und mancher verlässt das Studio im besten Sinne geläutert. Nicht allzu oft dürften gut 50 wohlplatzierte, feine Exponate eine solche Wirkung haben.
Öffnungszeiten
Geöffnet ist die Ausstellung an den Wochenenden 13. und 14. sowie 20. und 21. April jeweils von 11 bis 18 Uhr.

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5. April 2013
E l e m e n t a r z e i c h n u n g e n
Vergänglich, aber nicht vergangen
Andreas Kloker im Studio Rose in Schondorf

von Romi Löbhard


Andreas Kloker bei der Entstehung der Elementarzeichnungen im Studio Rose in Schondorf.

Schondorf Vergänglich, aber nicht vergangen – tot, aber nicht ausgelöscht: das lehren die Elementarzeichnungen von Andreas Kloker. Im Studio Rose in Schondorf entstand jetzt eine Reihe solcher Zeichnungen, für die der Künstler lediglich eine große Tafel, Wasser und verschiedene Werkzeuge für die Wasserverteilung benötigt.
Etwa 60 Besucher wohnten einer der beiden Performances bei und beobachteten Andreas Kloker beim Spiel mit dem Element „Wasser“ und der Zeit, während der es verdunstet. Da ist zunächst das Chaos – wirre, mit nassen Fingern aufgetragene Linien. Sie verschwinden und vereinigen sich im nächsten Stadium zu einheitlichen Bahnen, Energieströmen gleich, die Kloker mit einem Schwamm darstellt. Daraus entstehen zunächst schemenhaft, dann klarer werdend, Köpfe, Gesichter mit klaren Konturen, denen der Künstler jetzt mit einem feinen Pinsel charakterliche Eigenheiten verleiht.
Die Köpfe werden „umrahmt“, vor einen dunklen Hintergrund gerückt. Kloker „übermalt“ sie mit einem feuchten Tuch und sie bleiben doch erhalten, weil die Tafel überall gleich viel Wasser aufnimmt und die Konturen deshalb dunkler werden als die übrige Fläche. Mit der Zeit verblassen die Bilder, und anstelle der Köpfe malt der Künstler jetzt prächtige Blüten. Eine Schrift erscheint, der Strom der Zeit fließt darüber und trägt Menschen, Körper mit sich fort.
Ein Ölzweig als Zeichen der Erlösung
Letztendlich wird alles akribisch genau ausgelöscht und auf der feuchten Tafel entsteht – als Negativ – ein Ölzweig als Zeichen der Versöhnung oder Erlösung. Die Wartezeiten zwischen den einzelnen Bildern füllt Andreas Kloker mit wenigen, meditativen Klängen von der Maultrommel aus.
Während der gesamten Dauer der Performance ist es total still im Studio Rose; das Publikum hat sich fangen lassen von der Atmosphäre, wagt kaum, sich zu bewegen. Am Ende schien nicht einmal beifälliges Klatschen ein passender Ausdruck von Zustimmung zu sein. Erst als irgendjemand aus den Zuschauerreihen um Erlaubnis fragte, wurde die Stille unterbrochen. Bei Brot, Wein und Wasser von der Eresinger Ulrichsquelle klang die Veranstaltung aus.

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14. März 2013
Poetisch recycelt
Arbeiten von Gislinde Schröter im Studio Rose

von Nue Ammann

Schondorf „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“, dieses Credo von Friedrich Schiller zitierte die Kunsthistorikerin Urte Ehlers, um eine spielerisch anmutende Ausstellung zu eröffnen: die Werkschau von Gislinde Schröter im Studio Rose.


Auch Gislinde Schröters Gestalten spielen: „Astro beim Spiel“

Aktuell werden dort unter dem Titel „Gestaltserfindungen“ knapp vierzig ihrer Assemblagen präsentiert, die, so Ehlers, „das Gewöhnliche mit Poesie aufladen“. Begegnet man den Werken von Gislinde Schröter erstmals, zerlegt man, nach einem Moment des Staunens, unweigerlich jedes Bild gedanklich in seine Einzelteile. Denn diese sind so originell wie alltäglich und zudem fast immer „wertlos“. Gislinde Schröters Materialien sind Bruchstücke, Überreste, Dinge, die man gemeinhin in den Abfall befördern würde.
Dank ihrer unglaublichen Kreativität und der vorurteilslosen Herangehensweise, die an kindliches Staunen erinnert, entdeckt die Künstlerin jedoch das gestalterische Potenzial in den Dingen. Stück für Stück komponiert sie aus verschiedensten Kleinteilen Gestalten, Wesen mit deutlich erkennbaren Charakterzügen.

Mit ungeheurer Leichtigkeit

Ihnen allen gemeinsam ist eine ungeheure Leichtigkeit, die sie vollkommen harmonisch und geradezu authentisch erscheinen lässt. So entsteht aus einem alten Lederhandschuh, dem Boden einer rostigen Blechdose, einem Fellrest und zwei dünnen Ästchen, eine jovial grüßende Dame, die in schnellem Schritt davon zu eilen scheint.


„Neugierige Giraffe“

Um eine neugierige Giraffe darzustellen, braucht Gislinde Schröter lediglich zwei Holzstöckchen, einen Stein und einen Metallknopf und für eine Begegnung zwischen drei Menschen nur wenig mehr.
Doch diese vollkommen selbstverständlich wirkenden Wesen sind keine Zufallstreffer. Gislinde Schröter arbeitet „nicht aus dem Bauch heraus“, wie Urte Ehlers berichtet, „sondern verändert und baut, bis eine homogene Form entstanden ist“. Dieser Prozess von stetig neuer Komposition überdeckt jedoch nie den beseelten Blick der Künstlerin auf ihre Gestalten, ihr zugewandtes Schmunzeln, das sich im Wesen jeder Figur verfängt.
Ist die erste Verblüffung über die ungewöhnlichen Materialien verflogen, beginnt man die wirkliche Kraft der Arbeiten Gislinde Schröters zu entdecken. Ihre „Gestaltserfindungen“ sind Wegbereiter in eine fantastische Welt, geprägt von frischer Offenheit, abseits von unbedingter Funktionalität und wahnwitzigem Konsumverhalten.

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09. – 18. November 2012

Oswald Müller: Fotos ohne Köpfe

Das Studio Rose in Schondorf zeigt in seiner aktuellen Ausstellung Fotos und Fotokollagen des Dießener Künstlers Oswald Müller. Zur Vernissage kamen viele seiner Freunde. Einer von ihnen, Prof. Thomas Raff, Vorsitzender des Dießener Heimatvereins, sprach die einführenden Worte.
Er stellte Oswald Müllers Werdegang vor: Der bei Trier geborene Müller hatte Tiefdruckretuscheur gelernt, ein Beruf, dessen Chancen immer geringer wurden und den es heute nicht mehr gibt. Schon damals zeichnete er gern, ließ sich auch ausbilden. Schließlich lebte er als freiberuflicher Künstler, ging nach Südfrankreich und kam 1992 nach Dießen. Er wandte sich der Malerei zu, wurde zu Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen eingeladen. Von 1997 bis 2006 leitete er im eigenen Atelier eine Zeichen- und Malschule. Dann entdeckte er die digitale Fotografie für sich.
Sich im Atelier umblickend, die Fotos betrachtend, sinnierte Raff: „Erkenne ich einen Stil? Erkenne ich Zusammenhänge? Sehe ich Einflüsse anderer Fotografen? Eher nicht. Ich sehe, dass auf den meisten Bildern die Köpfe fehlen oder nur seitlich angeschnitten sind. Dafür viele Fotos von Händen, Menschen von hinten. Müllers Thema ist in weiten Teilen die menschliche Isolierung. Ein starker grafischer Effekt, auch in der Aufteilung der Bilder, fällt mir auf. Und Humor – etwa der rote Traktor vor dem Luxus-Laden“.
Oswald Müller kommentierte: „Ich hatte bisher die heimische Landschaft und den Ammersee im Focus. Beim Thema Mensch habe ich Hemmschwellen. So erklärt sich auch, warum die abgebildeten Menschen hier nie frontal zu sehen sind.“
Weil er sich Menschen mit der Kamera nähern wollte, fotografierte er Boule-Spieler im Münchener Hofgarten (aber nur von hinten, nur deren Hände oder von weitem!). Anschließend ließ er sich fotografierend einen ganzen Tag durch München treiben – und entdeckte eine Unzahl von Motiven für seine Kamera.
„Ein Tag in München“ nennt Müller die Fotoauswahl, die er im Studio Rose zeigt.

Jutta Bäzner

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Vom Ammersee-Sturm, der am Meer sein könnte

Ausstellung II
Für Julia Albrecht ist das Gefühl der entscheidende Ort

VON ANDREAS FREY

Schondorf Wolken schieben sich übereinander wie schmutzbedeckte Schneereste, und doch mittendrin ein Leuchten, kurz vor dem Hervorbrechen der Sonne. Julia Albrecht malt die Natur ohne Postkartenblau, und dennoch – vielleicht gerade deswegen – mit sehr viel positiver Kraft. Seit Freitag stellt die Dießener Künstlerin Werke ihrer jüngsten Schaffensphase im Studio Rose aus.

Großes Format, starke Farben, markante Stimmungen: Viele der Uferszenen mit ihren aufgepeitschten Weilen könnten den Ammersee wiedergeben. Julia Albrecht aber legt sich nicht fest. Im angedeuteten Horizont findet sich kein Anhaltspunkt einer konkreten Landschaft, und so gilt bei diesen Gemälden die Gleichung: Der Ammersee ist zugleich das Meer. Es ist die elektrisierende Wirkung der Natur, welche in den Acrylbildern zutage tritt. Neben Wellengang zeigt die 50-Jährige auch den Fernblick in eine wellige Gebirgslandschaft: Beim einen Bild entfalten sich unter bleiernem Himmel sandige Umbratöne, beim anderen ein zitroniges Grün, das beinahe unwirklich leuchtet. „Genauso habe ich es gesehen“, versichert Albrecht, welche die Naturimpressionen in sich aufnimmt und baldmöglichst malt, wenn die Eindrücke noch frisch sind. Dass beide Bilder an einer österreichischen Passstraße entstanden sind und eigentlich den Blick vom selhen Standpunkt in zwei verschiedene Richtungen wiedergeben, ist auch hier Nebensache, denn ebenso gut könnte die sandige Perspektive den korsischen Karst zeigen und die leuchtgrüne Aussicht die schottischen Highlands. „Oft kommen die Betrachter zu mir und sagen: das kenn’ ich, das ist doch genau an diesem und jenen Ort“, sagt Albrecht. Bei manchen Bildern aber gibt es diesen einen konkreten Ort gar nicht.

Julia Albrecht stellt im Studio Rose in Schondorf aus.
Foto: Andreas Frey (folgt)

Radtouren an einem Föhntag Besonders bei ihren ruhigeren Naturstimmungen überlagert Albrecht die Plätze, deren Stimmungen sie einfing. Radtouren rund um Weilheim an einem Föhntag fließen zusammen zu einer gemischten und verwischten Landschaft, die durch den typisch leuchtenden Voralpenhimmel lediglich noch den Breitengrad ihrer Entstehung verrät. Noch unbestimmter ist die geografische Situation der vier Schwimmer, die gedankenverloren im sommerlichen Wasser treiben: Der Gefühlseindruck ist für Albrecht der eigentlich entscheidende Ort in der Natur. Momente, wo sich alle Sinneseindrücke verbinden und zu besonderer Intensität zusammenkommen. Den sicheren Blick der gebürtigen Münchnerin, die seit 1996 in Dießen lebt, unterstreichen in der Ausstellung auch einige Personendarstellungen. Zwei Kleinformate deuten skizzenhaft Turner an, ein Großformat zeigt detailliert eine schlafende junge Frau. Wer der Kraft und Inspiration besonderer Naturstimmungen nachspüren möchte, findet in der Ausstellung eine Augenweide.

Zu sehen in der Bahnhofstraße 35 in Schondorf noch am Samstag und Sonntag, 20./21. Oktober, 14 bis 18 Uhr.

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Edition KulturLand, Oktober 2012

Schondorf

Der See, der Mensch, die Landschaft
Malerei und Siebdruck von Julia Albrecht

von lngrid Zimmermann

Das Studio Rose, ehemals das Atelierhaus eines Malers, darf schon länger als Privatgalerie genutzt werden, die Künstlern, oft aus dem Raum Ammersee, für kurzzeitige Ausstellungen zur Verfügung steht. Im Oktober werden an zwei Wochenenden Bilder von Julia Albrecht aus Dießen zu sehen sein. Die gebürtige Münchnerin hat in ihrer Heimatstadt Kunsterziehung studiert und bekam dort Lehraufträge an der Fachhochschule und Universität. Sie arbeitet nach wie vor als Kunsterzieherin. Ein guter Teil der Arbeiten gilt dem Ammersee, seinem Wasser, dem über ihm gespannten Himmel und Ahnungen der näheren oder fernen Uferlandschaft. Klassische Ansichten einer Landschaft sind es nicht. Diese Bilder sind anders: Seelenbilder, Herzensbilder, zu Farbe und Form geronnene Auskunft über jenseits des Sichtbaren liegende und dennoch das Sichtbare prägende Geistigkeit.

Julia Albrecht – „Sommerpause“ – Acryl, 2012

Eine Beschreibung könnte akzeptabel sein: Zu sehen ist, wie die Elemente Luft, Wasser, Erde, Feuer, sprich Licht, ineinander schwingend sich zu dem Bild zusammenfügen, das dann unsere Augen wahrnehmen. Wie verändert sich Wasser von Sekunde zu Sekunde, während es dem ihm innewohnenden Zwang zu ständiger Bewegung folgt? Wie verändert sich Wasser, wenn es frühes Tageslicht mit seinen vielerlei Färbungen in sich aufnimmt oder wenn bei beginnender Dunkelheit nur noch die hellen Wellenkämme sichtbar bleiben? Was macht Licht aus den hoch sich türmenden Kumuli über dem See, die doch auch nur aus Wassertröpfchen bestehen? Was ist es für ein wunderbares Lichterlebnis, wenn bei Föhn die Perspektive das Ufer im Süden des Sees zu einem schmalen Horizontstreifen macht, über dem ein fein getöntes Himmelsgewölbe sich zu dehnen scheint bis in eine Unendlichkeit? Julia Albrecht malt nicht vor der Landschaft, sondern hat ihre Staffelei in ihrem Atelier in Landsberg. Malend fragt sie sich, wie Gegensätze zu einem Gemeinsamen finden, etwa wenn am Ufer des Sees links vom Betrachter plötzlich ein dunkler Klotz steht, Teil einer Mauer, Materie pur, während neben ihm schmale transparente Wellen sich wie zu einer Treppe verbinden. Sie fragt sich auch, was denn der Mensch sei. Etwa in der Arbeit Reck, in der eine schattendunkle Figur sich an einem Seil hochstemmt, hinter sich und unter sich nichts als Himmelsfarben. Was auch geht von einem menschlichen Gesicht aus, wenn es das Antlitz einer Ruhenden ist, die sich zurückgezogen hat aus all dem Trubel und nur noch sich selbst gehört wie eine dieser Seelandschaften, die einfach da sind und das betrachtende Auge des Menschen nicht brauchen?

STUDIO ROSE, BAHNHOFSTRASSE 35, 86938 SCHON DORF, ÖFFNUNGSZEITEN AM 13. UND 14. OKTOBER SOWIE AM 20. UND 21. OKTOBER VON 14.00 BIS 18.00 UHR

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27. September Juli 2012 Ausstellung im Studio Rose Flammen als Zeichen verzehrender Liebe Kunst als Ausdruck philosophischer Ansichten von Claudia Edelmann

Schondorf Was passiert, wenn sich zwei Künstler, die von frühester Kindheit an in Glaubensdingen unterschiedlich geprägt sind, mit der Frage auseinandersetzen: „Was ist die Weltseele im religiösen Bezug?“ Die Konzeptausstellung „ANIMA MUNDI – eine künstlerische Annäherung an Gott und die Welt“ der Künstler Inge Frank und Richard Gruber liefert im künstlerischen Zusammenspiel Antworten auf diese Frage. Inge Franks Arbeiten, deren agnostische Prägung ihre Bildgestaltung maßgeblich beeinflusst, beeindrucken durch ein kraftvolles Aufeinandertreffen von Farbe und Dynamik. In ihrem Werk „Terra Madre“ sieht man es in den Erdschichten buchstäblich glühen und lodern. Gefühle und Vorstellungen, die sie zu bestimmten Themen hat, platziert, komponiert und arrangiert sie geschickt auf die Leinwand, macht sie so fast greifbar. Ihr Bestreben liege darin, die Essenz von Eindrücken aus Landschaften, Vegetation, Menschen und Farben, die aus der Tiefe der meditativen Recherche kommen, herauszuarbeiten. Ihre Arbeiten entstehen dabei im gesteuerten experimentellen Charakter in alchemistischer Vorgehensweise, so die Künstlerin. Für den Bildhauer Richard Gruber, der katholisch geprägt ist, beschreibt „anima mundi“ mehr als die Seele der Welt. Für ihn bezeichnet der Begriff auch Menschen. Solche, die zu einem halten, die einen durch ihre Liebe, ihre Vorsicht, aber auch durch ihre Zerrissenheit formen, wie es auch Eltern tun“, erzählt er. Figürlich dargestellt hat er auch die Stillen, die meditieren, aber auch die, die hören, was in der Welt ist und was sein könnte, und die daraus ihre Schlüsse ziehen. Seine Aufgabe als Bildhauer sieht Gruber darin, im Prozess der Ausformung seinen Kommentar oder sein Gefühl zu einem Thema kundzutun. Für ihn ist das die unmittelbarste und direkteste Form, die er sich vorstellen kann. Einmalig umgesetzt hat er das in seinen Werken „Herz-Jesu-Wärmflasche“. Die verschiedenen Kunstwerke sind eine Darstellung des sich verzehrenden Herzens Jesu, der von Dornen bedrängt wurde. Aus dem Trichter schlagen Flammen als Zeichen der sich verzehrenden Liebe. Damit verbunden stellt der Künstler die Frage, ob der Glaube für den Menschen wirklich Lebensaufgabe ist oder ob er diesen vielmehr als eine Wärmflasche betrachtet, die er sich an kalten und ungemütlichen Tagen auf den Bauch legt? Religion als Notnagel sozusagen, um dann, im letzten Moment doch noch einen Platz im Himmel zu ergattern. Auch die Tendenz unserer Gesellschaft, sich eine Art „Ersatz-Anima Mundi“ zu schaffen, stellt der Künstler in der Ausstellung treffend dar. Konsumgüter werden zu Ersatzgöttern und übernehmen Ersatzfunktionen. Richard Gruber sieht seine Darstellung als satirischen Gegenpol zu all dem, was die prinzipielle Auffassung von Religion ist. Die gemeinsame Präsentation der Werke von Inge Frank und Richard Gruber könnte nicht gegensätzlicher sein und gerade das macht ihre Faszination aus. Treffend sind die Worte, mit denen der Künstler die seinen Wunsch für die Ausstellung zusammenfasst: „Das ist es, was die Kunst auslösen soll: Dass sie die eigene Gefühlswelt berührt, anregt und Erinnerungen weckt. Gefühle, denen ich mit Freude folge im Geiste, oder solche, denen ich ungern folge im Geiste. Dann entsteht Kunstgenuss.“ Die Ausstellung „ANIMA MUNDI“ ist im Studio Rose, Bahnhofstraße 35, in Schondorf zu sehen. Öffnungszeiten: Samstag u.Sonntag.29.09-30.09 jeweils von 11- 18 Uhr sowie nach telefonischer Vereinbarung unter Tel. 08869-912750

Der Bildhauer Richard Gruber stellt mit seinem Werk „Herz-Jesu-Wärmflasche“ die Frage, welchen Stellenwert der Glaube im Leben der Menschen wirklich hat.

Inge Frank arbeitet gerne aus der Fülle heraus. Die Farbkompositionen versprühen Energie und Lebendigkeit, wie hier in ihrem Werk „Passion“.

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“Bilder einer Ausstellung”:

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Samstag, 7. Juli 2012 STUDIO ROSE Farbe und Freiheit Düchting und Hager Schondorf „Sie sind Großmeister der Perfektion, sie formieren sich, pendeln pfeilgenau zwischen Oberbayern und dem Kongo.“ Gemeint sind Zugvögel, von denen es nach Schätzungen weltweit 50 Milliarden gibt. Was das alles mit einer Ausstellungseröffnung zu tun hat? Ganz einfach, die beiden Künstler Hajo Düchting und Helmuth Hager haben sich, jeder auf seine Weise, intensiv mit Vögeln auseinandergesetzt. Das Ergebnis ist in der aktuellen Schau im Schondorfer Studio Rose zu sehen. In ihrer Einführung ging Dorothe Fleege deshalb zunächst auf die Spezies Zugvogel ein, um sich anschließend den beiden Künstlern zu widmen. Für Helmuth Hager sei ein Vogel Inbegriff von Freiheit, so Fleege, und auch er habe sich seinen – künstlerischen – Luftraum erobert. Über Hajo Düchting sagte Fleege, sein großes Thema sei die Farbe, „es ist quasi sein Lebensthema“. Dabei sei vor allem die Mischung wichtig. Düchting sei es ein Anliegen, die Sprache der Farbe zu entschlüsseln; „er hat sich emotionales Sehen bewahrt“.

Bei Hajo Düchting geht es immer um die Farbe.

Im Studio Rose stellt Hajo Düchting eine Reihe von Arbeiten in Acryl auf Papier aus. Die Serien „Licht-Schwärme“ und „Farb-Funken“ machen Düchtings Einstellung zur Farbe deutlich. Er scheint zu probieren, was am besten zueinanderpasst, die Farben auf den einzelnen Bildern variieren mal mehr, mal weniger. Die Schwärme oder Funken erinnern in der Tat an Zugvogelschwärme am tiefblauen Himmel, angestrahlt von einer farbwechselnden Sonne. Düchtings großformatige Arbeiten sind explizit dem Fliegen, beispielsweise des Ikarus gewidmet.

Vögel sind das Thema von Helmuth Hager

Helmuth Hagers Arbeiten glänzen mit Reduktion. Über den Köpfen der Ausstellungsbesucher schwebt ein Bronzeguss – es sind nur die Umrisse eines Vogels und des ihn betrachtenden Menschen. Vor dem Fenster eine verstörende Lichtinstallation: Ein großer Vogel, seiner Flügel beraubt. Sie sind zwar ganz nah bei ihm, aber doch weit genug weg, um sie nicht mehr benutzen zu können. Ein wenig japanisch muten Hagers Einlassarbeiten an. In Rot auf weißem Untergrund, so scheinen hier schwarze Vögel ihre Fluglinien gezeichnet, ihre Spuren hinterlassen zu haben. (löbh)

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Mittwoch, 20. Juni 2012

DIALOG Glückhafte Verletzlichkeit des Seins

Die Nachbarn Matthias Rodach und Annunciata Foresti stellen im Studio Rose aus von Andreas Frey Schondorf Zwei Dießener Künstler bringen eine ganz neue Atmosphäre ins „Studio Rose“. Beraubt der Stühle, dafür ausgelegt mit grauen Filzmatten, gewinnt der Ausstellungsraum Werkstattcharakter. Den bekommt man auch durch die Nase zu spüren, denn der Geruch des von Bildhauer Matthias Rodach verwendeten Polyesters hängt in der Luft. Somit fühlt man sich unweigerlich an die Münchner Kunstakademie erinnert, wo die Atmosphäre ähnlich ist – und die Innovation der Arbeiten entsprechend. Dieser Neuerungswert gilt vor allem für den Bildhauer Matthias Rodach, der noch bis vor Kurzem ganz „brav“ in Stein oder Bronze gearbeitet hat. Nun aber entdeckt Rodach, der seit 2005 in Dießen wohnt, den Polyester für sich. Klassisch beginnt er mit Figuren-Rohlingen, die er dann mit Gips umhüllt. Auf die Innenseiten der gipsernen Negativformen trägt er den Polyester auf. „Der Gips saugt und reißt an der entstehenden Figur“, sagt Rodach. Tatsächlich enthüllt das Nähertreten an die Plastiken deren schrundige, fasrige Oberfläche. Die existenzielle Verletzlichkeit wird betont durch die Abfallmaterialien, mit denen der Polyester stabilisiert wird, so etwa Sack-Rupfen oder Tetrapack-Schnitzel.

Kaum ein Besucher der Vernissage konnte sich dem optischen Reiz dieser bald zerbrechlich, bald verwittert wirkenden Figuren entziehen. Insbesondere der stehende „Bootsmann“ faszinierte, könnte er doch ein Fährmann sein, der sich – oder andere – in ein unbestimmtes Jenseits befördert. Verstärkt wird die Metapher der Verletzlichkeit durch die Basis: Die Figur steht auf den hölzernen Planken eines zerbrochenen Schiffsbugs, dessen Nägel der Figur gefährlich zugewandt sind. Dennoch leuchtet aus dem Bug die selbstbewusste Neonschrift: „Ich bin“. Der Mensch ist zu allem fähig, kann aber nichts festhalten. Rodach verweigert sich einer eindeutigen Interpretation und belässt die Plastik ohne Titel. „Der Mensch ist zwar zu allem fähig, aber letztlich kann er nichts festhalten“, sagt der Künstler unter Bezug auf die griechische Philosophie der Stoa. „Was uns sicher bleibt, ist nur die innere Freiheit“, meint der 39-Jährige. Diese Selbstständigkeit zu Interpretationen findet ihr Spiegelbild in der Kunst von Annunciata Foresti. Zwar verleiht die Dießener Malerin und Galeristin ihren großformatigen Acrylbildern mittlerweile Titel, doch letztlich geben diese nur eine Wiedererkennungshilfe. Die Wirkung von ruhigem Graublau, von feurigem Rot oder von warmem Braun kann sich individuell ausdifferenzieren, je nachdem, wie stark man die Untergrundstrukturen wertet. Die geäderten, subtil durchscheinenden Linien geben den Bildern Lebendigkeit und Stärke.

Unter den neu entstandenen Werken ist Foresti das Doppelbild „Sakraler Raum“ besonders wichtig. Mit den durchschimmernden Rot-Tönen ergeben sich Leuchtspuren, wie man sie manchmal im Dunkel einer gotischen Kathedrale findet, wenn zwischen den Schatten des Maßwerks ausgerechnet durchs Rot eines Fensters ein Sonnenstrahl bricht. „Sakraler Raum“ heißt das Werk somit. Die Ausstellung von Foresti und Rodach ergab sich aus Zufall, denn nach Forestis Erwerb des Stellwerks wurden beide Dießener quasi zu Nachbarn und traten quasi über den Gartenzaun hinweg in „Dialog“, wie es auch der Titel der Schau formuliert. Die erstmals in einer gemeinsamen Ausstellung manifestierte Künstlerfreundschaft ist ein Gewinn, denn die Werke von beiden leben aus dem Reiz des Nähertretens, das die aus der Distanz so glatt wirkenden Flächen dekonstruiert. Auch finden Forestis Wellensturm-Bilder und Rodachs Bootsmann sinnfällig zueinander.

Aber mit mutvollem Blick voraus Einführungsrednerin Inge Putzier hob denn auch stark auf das Thema der Vergänglichkeit ab. Freilich lässt sich die Brüchigkeit der Bildgründe und Figurenoberflächen auch als Offenheit zum neuen Aufbruch deuten, denn nur aus der Sensibilität gegenüber der Welt erwächst das Erkennen von Chancen. Matthias Rodach zumindest deutet an, dass er sich gerade fühle wie sein Bootsmann: inmitten einer künstlerischen und biografischen Umstellung, aber mit mutvollem Blick voraus.

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14. bis 23. Oktober 2011:

Aus Schrift wird Bild Anemone Rapp erzählt im Studio Rose “Von geschriebenen, übermalten und anderen Bildern”

Mehr als hundert Arbeiten entstanden, in denen das Schriftbild wie das persönliche Erlebnis Inspirationsquelle waren.

Anemone Rapp spürt in jedem ihrer Bilder dem Wesen der lebendigen Welt nach: Kraft, Wachstum, Kontroverse und wieder Kraft finden in ihren Arbeiten beständig zu neuem Ausdruck.

Mehr als hundert Arbeiten entstanden, in denen der Rhythmus des Schriftbildes und die Kalligraphie der Worte, ebenso wie das persönliche Erlebnis Inspirationsquelle waren.

Schondorf – „Von geschriebenen, übermalten und anderen Bildern“ weiß zu erzählen, wer die gleichnamige Ausstellung von Anemone Rapp im Studio Rose besucht. Dort zeigt die Malerin erstmals mehr als zwanzig Arbeiten eines Zyklus, der sie in den vergangen beiden Jahren intensiv beschäftigte. Ausgangspunkt für diese Werkreihe der „geschriebenen, übermalten Bilder“ waren einige Manuskriptseiten eines Schriftstellers, mit dem Anemone Rapp jahrzehntelang in enger Verbindung stand. In winziger und gleichzeitig ebenmäßiger Schrift brachte der Schweizer Autor Alfred Schläpfer noch in hohen Jahren seine Romane zu Papier. Zunächst auf gebrauchte Umschläge, dann nach einer eingehenden Bearbeitung und Verbesserung auf lose, neue Seiten, um erst nach einer weiteren Reifungsphase und Korrektur die Abschrift mit der Schreibmaschine folgen zu lassen. Fasziniert von der Konzentration und der Fähigkeit, sich so aus dem Alltag herauszunehmen und ganz im Schreiben aufzugehen, ebenso wie von der strengen Disziplin, die diesem Schriftwerk zugrunde liegt, spürt Anemone Rapp dieser beeindruckenden Erfahrung nach. Mehr als hundert Arbeiten entstanden, in denen der Rhythmus des Schriftbildes, die Kalligraphie der Worte, also die formalen Aspekte des Ausgangsmaterials, ebenso wie das persönliche Erlebnis Inspirationsquelle waren. Eine inhaltliche Verschränkung taucht nur manchmal auf, und wenn, dann äußerst pointiert. So bleibt beispielsweise allein ein Wort erkennbar und geht mit den malerischen Elementen um es herum eine neue inhaltliche Verbindung ein wie im titelspendenden Bild „Daraus“. Kraftvoll und beherzt setzt Anemone Rapp Pinselstriche, Kleckse, Collage-Fetzchen, Farbwolken, Schraffuren, Tuscheflächen und Linien. Damit erzielt sie – wie auch in ihren „anderen Bildern“, also den Arbeiten, die neben der Bildreihe „Daraus“ entstanden sind – mutige Kompositionen, die ausgewogen aufgebaut sind und gleichzeitig eine hohe Spannung halten. Zwar differieren diese „anderen Bilder“ beim ersten Eindruck stark von den „geschriebenen, übermalten“, doch viel wichtiger als die Unterschiede sind die Gemeinsamkeiten der Arbeiten. Kraft kommt zum Ausdruck Ob Eindrücke aus der Natur, wie dunkle Spuren, die fließendes Wasser auf Steinen hinterlassen hat, Bäume und Blüten, oder Schrift als Inspiration und Motivträger ihrer Aussage auftreten, spielt dabei keine Rolle. Denn Anemone Rapp spürt in jedem ihrer Bilder dem Wesen der lebendigen Welt nach: Kraft, Wachstum, Kontoverse und wieder Kraft finden in ihren Arbeiten beständig zu neuem Ausdruck. Unterbrochen werden die detailreichen und teils 20-mal überarbeiteten Werke des Zyklus „Daraus“ – ebenso wie die schwungvollen von der Natur inspirierten Malereien – von monochromen Bildern. Diese auf länglichen Leinwänden aufgetragenen Farbflächen sind Teil eines vormaligen Ausstellungskonzeptes, dessen Aussage für Anemone Rapp auch im Zusammenhang mit dieser Präsentation passt. „Wenn Farben spazieren gehen“, lautete der Titel dieser früheren Ausstellung, in der die Künstlerin den Farben das Recht zusprach, „auch außerhalb eines gewohnten Bildes Platz zu nehmen“, und auf diese Weise, sowohl für sich allein, als auch als Ergänzung zur Umgebung zu wirken. „Klare Darstellungen, getreu meiner ersten Ausbildung, sind (…) schwieriger zu finden Die Handschrift hat sich verändert. Ein anderer geistiger Horizont wächst in die Arbeiten ein und macht sie für mich auch zu einem Geheimnisträger“, erläutert die Künstlerin ihre weitgehend abstrakte Malerei und fügt hinzu „interessant ist, wenn man mit einem Bild nicht fertig wird, wenn man darüber reden muss“. Sie verweist damit auf ihr Grundverständnis von Kunst als Mittler und Provokateur der Kommunikation und lädt damit jeden Betrachter dazu ein, selbst Interpretationen zu wagen und so einen Zugang zum eigenen Verständnis ihrer Bilder zu finden. Nue Ammann (Artikel + Fotos)

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Dienstag, 18. Oktober 2011 AUSSTELLUNG Geschichten auf Papier Werke von Anemone Rapp von Romi Löbhard

„Spuren des Wassers“ von Anemone Rapp. Zu sehen im Studio Rose in Schondorf. Foto: Romi Löbhard

Schondorf / Die akribisch auf feines Papier niedergeschriebenen Geschichten und Essays eines Schriftstellers haben sie fasziniert und inspiriert, sagt Anemone Rapp über einen Teil ihrer zurzeit im Schondorfer Studio Rose zur Schau gestellten Arbeiten. „Mit seiner Erlaubnis habe ich seine Blätter nach meinen Vorstellungen weitergestaltet.“ Dem Schriftsteller sei die Zustimmung möglich gewesen, so Rapp, „weil ich ja nicht die Inhalte, sondern die Buchstaben und Wörter bildlich darstellte“. Die nur wenige Millimeter große Schrift hat die Echinger Künstlerin, die in der Schweiz Textildesign und Malerei studiert hat, vergrößert, sie hat einzelne Wörter herausgepickt und mit ihren der naturalistischen Welt längst enteilten Gestaltungsmöglichkeiten deren Symbolkraft verstärkt, oder auch abgeschwächt. Dafür hat sie an 120 DIN-A4-Blättern gleichzeitig gearbeitet. „Die Blätter waren in langen Reihen am Boden ausgelegt“, erzählt Anemone Rapp, „und ich bin durch die Reihen gegangen und habe sie ausgearbeitet.“ Nach Fertigstellung fanden etwas mehr als 40 Bilder Gnade vor den strengen Augen der Künstlerin, 23 davon sind unter dem Titel „Daraus“ als Dreier- oder Viererserien im Studio Rose gehängt, der Rest steckt in Passepartouts und ist ebenfalls zu betrachten. Die Serie „Daraus“ zeigt viele Facetten künstlerischer Ausdrucksformen. Das Wort „Bild“ beispielsweise hat Anemone Rapp „verbildlicht“, das heißt, es entwickelte sich von Blatt zu Blatt mehr zu einer Darstellung, es verschwand hinter dick aufgetragener, weißer, von schwarzen Zeichen durchwirkter Farbe. Bei einer anderen Serie blieben Wörter sichtbar, wurden mit kräftigem, meist schwarzem Duktus umrahmt, ihre Bedeutung so verstärkt. Collagen aus Textfragmenten wiederum täuschen eine Übermalung des Geschriebenen vor. Sehr stark vergrößerte Wörter wirken im Bild wie archaische Zeichen, können mit ein paar zusätzlichen Pinselstrichen entstandene Landschaften beleben. „Blaue Leichtigkeit“ hat Anemone Rapp in mehrfacher, nicht identischer Ausfertigung gehängt, als Auflockerung und Trennung von „Daraus“ zu den thematisch andersgearteten Werken. Ein Wasserfall in den Bergen war das Grundmotiv für „Spuren des Wassers“ in Acryl in vierfacher Ausführung. „Am mehrmaligen Darstellen eines Themas fasziniert mich vor allem, wie sich das Bild verändert, wie sich die Vorstellung des Motivs wandelt.“ Gerade deshalb arbeite sie oft in Serien, sagt Anemone Rapp. Auf allen Werken präsent ist Schwarz, „weil es die Farbe mit der stärksten Ausdruckskraft ist“, sagt Anemone Rapp.

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Mittwoch, 5. Oktober 2011 STUDIO ROSE

Auch das Oktoberfest aufs Korn genommen

Ausstellung mit dem Cartoonisten Michael Heininger

Schondorf Der Münchner Cartoonist Michael Heininger bringt mit seiner Ausstellung „40 Jahre Cartoon“ Schwabinger Flair in den Ausstellungsraum des Studio Rose in Schondorf am Ammersee. Mit dem bekannten Künstler Dieter Olaf Klama, der kürzlich im Studio Rose ausgestellt hat, ist Heininger schon lange befreundet. So ergab sich der Kontakt nach Schondorf. Bei der Vernissage am Freitagabend waren Klama und auch die Schauspielerin Marianne Sägebrecht zugegen, mit der Heininger ebenfalls eine lange Freundschaft verbindet. Eine Serie von Porträts zeigen neben Klama und Sägebrecht auch Gerhard Polt, mit dem Heininger die Schulbank drückte.

Den Werdegang eines Zeichners beschrieb Schriftsteller und Dichter Manfred Ach, der bei der Vernissage die Laudatio hielt. Ach bescheinigt dem 1944 in Weihenstephan geborenen Cartoonisten „eine unverwechselbare Weltwahrnehmung“. In seinem Fundus lagern nicht weniger als 3000 Unikate, schwärmt Ach von der Schaffenskraft des Künstlers. In der Wohnung aufgehängt, seien Heiningers Ansichten der Welt „wirkungsvoller als Feng Shui“, so Ach. „Vertreibt auch spießbürgerlichen Besuch“, meinte der Laudator verschmitzt. Heininger zähle zu den „giftigsten Künstlern, die ich kenne“, so der Laudator. Mit Heininger sei er durch die Schwabinger Lokale gezogen, erzählte Ach. In seinen Anfangsjahren habe Klama das Talent von Heininger befeuert. Die Begegnung mit Marianne Sägebrecht ergab eine Freundschaft. Heininger sei Maler, Schauspieler, Illustrator und Dozent, so Ach. Im In- und Ausland zeigte er ungewöhnliche, neue und andere Arbeiten. Facettenreich seien die Arbeiten von Heininger. Besonders ging Ach auf die Neuen Medien ein, die Ach „entlarvend“ dargestellt habe.

Gerahmtes Papier statt Bildschirmen

Eine Ausstellung mit „gerahmten Papier“ statt Bildschirmen sei ein wirklicher Kontrast, so Ach. Heininger habe auch kritische Anmerkungen in der Wahl seiner Sujets gemacht. Als Chronist der Stadtgeschichte habe er beispielsweise 1979 den Schwabinger Trödelmarkt gezeichnet, den es kurz darauf nicht mehr gab. Auch lebende und historische Persönlichkeiten nahm Heininger ins Visier wie beispielsweise Karl Valentin. Vom Kollektiv Schellingstraße bis zur Gruppe Zorn reicht Heiningers Engagement.

Heininger studierte von 1965 bis 1969 an der Akademie der bildenden Künste in München und 1969 bis 1971 in Paris. 1970 hatte er seine erste Ausstellung in München, 1982 erhielt er den Schwabinger Kunstpreis für Malerei. Mit dem Schriftsteller und Dichter Manfred Ach hat er mehrere Bücher herausgegeben, wie „Cadavre Exquis oder Corpus Delicti“ oder den immerwährenden bayrischen Schimpfkalender „So schaut’s aus!“ Deftige Illustrationen in Tracht werden ergänzt durch ein bayrisches Schimpfwort pro Tag anstatt der üblichen Heiligenaufzählung. Im letzten Jahr gab es eine Ausstellung von Heininger „Klassische Cartoons zum Oktoberfest“, von denen auch einige Werke in Schondorf gezeigt werden wie beispielsweise der „Biersanthrop“ oder „Romantisches Blatt“. Neben den Trachtlern und den Bierseligen nimmt Heininger auch die Kirche aufs Korn. In seiner Gesellschaftskritik ist der Cartoonist vielseitig. In Schondorf zeigt er auch einige Werke aus einer Serie Antikriegsbilder. Exemplarisch sei hier dieses Bild: Eine verschleierte Frau weint eine Blutspur, die in plakativem Rot das untere Drittel des Bildes füllt. (rg)

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Mittwoch, 21. September 2011 TUSCHEBILDER Fantasie und Strenge von Andreas Frey Janos Fischer unter dem Motto „dynamo“ im Studio Rose Schondorf / Der Dießener Künstler Janos Fischer gibt freimütig zu, dass er in letzter Zeit nicht eben häufig in der Ammerseeregion ausgestellt hat. Dies heißt aber nicht, dass sich der gebürtige Ungar nicht schon wieder etwas Neues ausgedacht hätte. In seiner typischen reduzierten Ausdrucksweise, die knapp vor der völligen Abstraktion steht, zeigt Fischer diesmal Tuschbilder. Die Gestaltung freilich verrät die Malweise nicht. Gut einen Meter im Quadrat messen die schwarz grundierten Platten, die man – der leicht schimmernden Optik wegen – für Stahlflächen halten möchte. Janos Fischer winkt ab. Nein, nur Holzplatten habe er bemalt und ausschließlich Tuschen verwendet, diese freilich immer und immer wieder nach komplizierten Trocknungsprozessen überlagert. Auch die weißen Farbaufträge und die angedeuteten bunten Tupfer seien mit Tusche erstellt: „Es ist definitiv nicht die normale Art, wie man Tusche einsetzt.“ Die titellosen schwarzen Quadrate sind durch vielfaches Changieren gestaltet. Schon allein das Schwarz ist nicht bloß Schwarz – an manchen Stellen glänzt es, an anderen ist es matt. Zudem sind die Werke durch unterschiedliche Aufträge von Weiß rhythmisiert, das manchmal durch dünnen Auftrag Grautöne erschafft. Die Musterung kann beim einen Bild geometrische Strenge ausstrahlen, beim anderen in algenähnlichen Schwüngen mäandern. Das Entdecken der fast versteckten farbigen Spuren faszinierte die Besucher und hielt das Auge vieler Betrachter fest. Laudator Egon Günther zog in seiner Einführungsrede Parallelen zu Platons Höhlengleichnis, wobei sich nach drinnen nur Ahnungen der äußeren Bilder übertragen. Janos Fischer selber freilich ließ sich nicht auf eine Interpretation festlegen. „Ich habe keine bestimmte Absicht dahinter, wenn ich male, sondern es zeigen sich dann Dinge, die sich ergeben.“ Wenn Betrachter „Ansätze von Motiven“ erkennten, habe er freilich nichts dagegen – und Anklänge von Wasserwelten habe er in einem der Werke auch schon gesehen. Kontrastiert wird die Schau der insgesamt eher hart wirkenden Bildplatten durch mehrere verspielte Figuren. Wie bunte Pappmaschee-Tiere sehen sie aus, stehen auf dem Boden in der Mitte des Ausstellungsraums vom „Studio Rose“ und erinnern entfernt an die Figuren der Niki de Saint-Phalle. Ungleich zu diesen gibt es bei Janos Fischer allerdings kein unmittelbares Wiedererkennen von bestimmten Lebensformen. „Eigentlich haben sie keinen Namen, doch ich nenne sie privat meine kleinen Monster“, erläuterte Fischer, der seit 1979 – mit Unterbrechungen – in Dießen lebt. Diese Kunstform sei ursprünglich bei einem Bildhauersymposion entstanden. „Ich hatte keine Lust auf etwas Schweres und wollte lieber Schattenskulpturen machen.“ Dies seien Klebefilm-Figuren gewesen, die beim Durchleuchten mit starken Lichtquellen interessante Konturen auf der Wand erzeugt hätten. „Dieses Zufallsprodukt begann mir zu gefallen, und es hat sich schließlich immer mehr verselbstständigt.“ Heute sind Fischers „Monster“ nicht mehr transparent, sondern im Gegenteil mit einer solchen Vielzahl von verschiedensten Klebefilmen ummantelt, dass man den Künstler gerne nach den Quellen für alle diese nie gesehenen farbigen Streifen fragen würde. Fest steht, dass Fischers Fantasie – auch in den strengen Bildern – mit dieser Vielfältigkeit Schritt hält. (frey)

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Ammerseekurier, 20. September 2011 (dyb) Bilder eröffnen neue Dimensionen Bilder und Objekte von János Fischer unter dem Titel „Dynamo“ im Studio Rose in Schondorf Schondorf – Am Freitagabend öffnete in Schondorf das Studio Rose seine Räume für Bilder und Objekte des Künstlers János Fischer. Zahlreich strömte das Publikum in die Ausstellung mit dem Titel „Dynamo“, die Werke aus dem vergangenen Jahr des Künstlers zeigt. In seiner Einführungsrede zog der in Riederau lebende Lyriker und Übersetzer Egon Günther eine Parallele zum Fahrrad-Dynamo. Denn ebenso wie der Dynamo immer nur das nächste Stück des Weges beleuchtet und Licht ins Tiefgründige schickt, tastet sich der Betrachter Schritt für Schritt oder Schicht für Schicht durch die Bilder des Künstlers. Auch wenn die Werke auf den ersten Blick abstrakt wirken, wer genau hinschaut, hat viel zu entdecken. Da hört man plötzlich ein Schwein, das frech aus dem Bild grinst, förmlich laut schallend lachen. Und auch andere Fabel- oder Lebewesen können dem Betrachter hier begegnen. In einem anderen Bild scheint man Achterbahn zu fahren, ganz gleich, ob man nun will oder nicht. Mit dem nötigen Abstand eröffnen sich plötzlich neue Dimensionen, andere Perspektiven, eine neue Räumlichkeit entsteht. Schluchten, Abgründe tun sich auf um mit dem nächsten Blick sogleich wieder in der Tiefe der Unendlichkeit des Alls zu verschwinden. Auf dem Boden ins rechte Licht gesetzt sind auch Objekte, die aus der Beschäftigung mit Licht und Schatten entstanden sind. Auf einem Bildhauersymposium in Südtirol entschied Fischer sich anstatt mit schwerem Material mit dünnem Draht zu arbeiten. So entstanden zunächst seine „Schattenfiguren“, aus filigranen Stäben geformte Skelette. Platziert auf einem Overheadprojektor warfen diese interessante Schatten an die Wand. Aus der Überlegung, das die Gebilde nicht zwingend transparent sein müssen, entwickelten sich schließlich mit einer ganz eigenen Dynamik jene selbstständigen Objekte aus Tesafilm und farbigem Isolierband, die für Fischer etwas Freches, Unbekümmertes, Kindliches in sich tragen.

Tusche auf Holz. Es sind die Schicht für Schicht aufgetragenen Farben, die auf János Fischers Bildern Wirkung zeigen. Foto: Dyballa

Motive entstehen beim Malen János Fischer verwendet in seinen Bildern verschiedene Tuschen. Schwarz und Weiß sind dabei nach wie vor die Hauptakteure, Farbe setzt er wohldosiert hier und da punktuell ein. Dass seine Bilder wie gedruckt wirken, liegt an der Technik des Auftragens. Mit Schaumstoffrollen bringt Fischer Schicht um Schichten über mehrere Wochen hinweg Farbe auf eine Holzplatte, die auf dem Tisch liegt. Diesen Prozess wiederholt er so lange bis er mit dem Ergebnis zufrieden ist. Fischer hat keine fertigen Bilder im Kopf, sie entstehen während des Prozesses. Jeder Farbauftrag birgt auch für ihn immer wieder Überraschungen, regt ihn zu neuen Ideen an, trägt ihn und das Werk gleichermaßen weiter in seiner Entwicklung. So gibt es keinen Stillstand, es ist ein Prozess im Wandel, der zugleich beflügelt und fordert. So lange fordert bis Licht und Schatten, Dichte und Transparenz, Raum und Form oder philosophisch betrachtet, Schein und Wirklichkeit im richtigen Verhältnis zueinander stehen. Es sind Bilder in denen man sich verlieren kann, in denen man vergeblich nach einem Anfang und einem Ende sucht. Diese Orientierungslosigkeit übt zugleich eine ungeheure Sogwirkung aus, die den Betrachter in ihren Bann zieht und ihn nur schwer wieder loslässt. Die Kraft der Bilder von János Fischer war an diesem Abend deutlich spürbar, denn das kunstinteressierte Publikum diskutierte lange und angeregt.

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Augsburger Allgemeine, Montag, 21. März 2011 Ausstellung: Kleine, kraftvolle Dialoge

Hans Neuhauser im Studio Rose in Schondorf

von Gudrun Szczepanek

Thema in den neuesten Zeichnungen von Hans Neuhauser ist der geistig-emotionale Dialog zwischen zwei Formen.

Zwei kleine Flächen, flüchtig skizzierend mit verdünnter Tusche auf ein Papier gesetzt, bilden den Auftakt zu den neuen Kompositionen von Hans Neuhauser, die derzeit im Studio Rose in Schondorf gezeigt werden. Es ist das Thema der abstrakten Kunst, das der Zeichner hier mit großer Kreativität in den vierundzwanzig ausgestellten Arbeiten erprobt.

Schon Paul Klee reduzierte 1920 die Formelemente der Grafik auf „Punkte, lineare, flächige und räumliche Energien“. Zunächst stehen die beiden Flächen in den Arbeiten von Neuhauser hilflos nebeneinander. Erst durch die weitere Bearbeitung gehen sie Beziehungen ein und treten in immer neue Dialoge. Flächen scheinen aufeinanderzuprallen, verändern ihre Formen, lassen Staub und Elemente aufwirbeln. Zarte Konturierungen lassen sie plastisch, nahezu schwebend erscheinen. In anderen Blättern haben sich die beiden ungegenständlichen Formen tief in das Papier eingegraben.

Die Experimentierfreude des Künstlers kennt keine Grenzen. So fällt es ihm auch mal ein, Kohlestücke auf Papier zu legen und durch die Radierpresse zu ziehen. Dabei drückt sich das Material tiefschwarz in das Papier, zerbricht zugleich an den Rändern und setzt Kohlestaubwölkchen frei, die sich nun zart auf dem hellen Untergrund abzeichnen. Während zunächst der Zufall eine Rolle spielt, so liegt die weitere Entwicklung sehr wohl in der Hand des Zeichners, der mit dem Vorhandenen spielt.

Dialog in zweifacher Hinsicht

Die Ausstellung heißt „Dialog“, und das ist durchaus in zweifacher Hinsicht gemeint. Da ist zunächst der Dialog der Flächen miteinander, der sich trotz des kleinen Formats ziemlich kraftvoll gestalten kann. Doch zu verstehen sind die Arbeiten auch als Dialog des Zeichners mit seinen Formen.

Er agiert nicht nur geistig-visuell mit ihnen, sondern mitunter auch verbal. So steht über einer kleinen Form das Wort „zurücknehmen“, und ein Pfeil weist ihr die Richtung.

Der 1960 geborene Johann Neuhauser ist Zeichner aus Leidenschaft. Dabei ist er überzeugter Autodidakt und schätzt seine Unabhängigkeit von Lehrern und Schulen. Mit den ausgestellten Arbeiten, die in den letzten vier Monaten entstanden sind, geht er wieder mal einen neuen Weg. Humorvoll und offen lässt er sich von seiner Umgebung, von Assoziationen und Begegnungen zu seinen Bildthemen anregen. Er zeichnet gleichermaßen realistisch-figurativ oder abstrakt bis ungegenständlich. In ihrer konsequenten Konzentration auf den ausschließlichen Dialog von zwei Formen sind die neuesten Arbeiten sehr überzeugend. Durch die Reduktion der Farben auf Schwarz und mitunter ein wenig Rot oder einen Hauch von Gelb erhalten die kleinen Blätter eine erstaunlich kraftvolle Monumentalität.

Die stringente Thematik und das gleichbleibende Bildformat lässt die Ausstellung in sich geschlossen wirken. Dass die Bilder nach formalen Kriterien in kleine Gruppen zusammengefasst sind, gibt ihr zudem Spannung und erleichtert dem Betrachter die Orientierung.



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Vom 7. bis 16. Mai 2010 stellten die Fotografin Renate Blaes und die Bildhauerin Waltraud Vogel einen kleinen Teil ihrer Werke aus. Die Vernissage war gut besucht und die Reaktionen von Publikum und Presse sehr positiv. Wir danken den Künstlerinnen herzlich für diese schöne Ausstellung.